Leben im Käfig (German Edition)
tollen Freund angeben und allen zeigen, was ich für ein Glück habe. Weißt du, wie schlimm ich es finde, dass du nie rausgehen kannst? Für dich? Nicht für mich. Ich kann alles machen, was ich will. Ich bin frei.
Du ... du kennst niemanden außer mir. Du brauchst doch Freunde und Partys und Kino wie jeder andere auch. Ich wäre gerne dabei, wenn die Mädchen dich anstarren und fluchen, weil du schwul bist und mir gehörst. Ich möchte dich um Mitternacht vor aller Augen küssen und festhalten, sodass alle sehen, dass wir zusammengehören. Und dann möchte ich abhauen und mit dir alleine sein.
Egal, wo. Hauptsache, uns stört keiner. Weil ich Silvester mit meinem Freund verbringen will. Mit dir.“
Sascha schnappte nach Luft. Seine Lunge schien zu klein für seinen Bedarf an Sauerstoff.
„Weißt du, wie mies ich mich fühle? Weißt du, warum ich gestern so doof reagiert habe? Weil es verdammt schwer ist, klar zu denken, wenn dir die eigene Mutter gerade an den Kopf geworfen hat, dass sie sich für dich schämt. Wenn du höllische Feiertage hinter dir hast und deinen Freund so sehr vermisst hast, dass du dachtest, du verlierst den Verstand. Und dann komme ich hierher und finde was heraus? Dass du alleine warst. Dass du dich um die Wahrheit herumgemogelt hast. Dass sich niemand um dich gekümmert hat und niemand bei dir war. Dass du seit Tagen ganz allein bist. Und weißt du, was ich Arschloch gedacht habe?
Ich habe mich gefragt, warum du mir das antust. Warum du mir das verschweigst. Wenn du nur den Mund aufgemacht hättest, hätten wir uns sehen können. Ich hätte drüben abhauen können und glaub mir, das wollte ich.
Der einzige Grund, warum ich nicht gekommen bin, war, dass ich nicht wollte, dass du Krach mit deinen Eltern bekommst. Ich wollte dich so gerne sehen. Aber du sagst nichts. Du sagst es nicht, wenn es dir schlecht geht. Du sagst es nicht, wenn deine Eltern sich wie Flachwichser aufführen und du sagst mir nichts, wenn dein Zahn vereitert und keiner für dich da ist. Ich will gar nicht wissen, was du mir noch alles verschwiegen hast.
Warum ist das denn bitte so schwer? Was habe ich denn getan, dass du mir so gar nicht vertraust? Wir gehören zusammen. Ich bin verrückt nach dir. Und wir haben beide so viel Ärger, da sollten wir doch zusammenhalten, oder? Deine Eltern sind Idioten und kümmern sich nicht richtig um dich. Und meine Eltern oder zumindest meine Mutter schießt auch einen Vogel nach dem anderen ab. Dazu Stress in der Schule und dauernd diese Tiefschläge von allen Seiten. Auf wen kann ich mich denn verlassen, wenn nicht auf dich? Auf meine Tante? Die hat auch nur einen begrenzten Geduldsfaden. Und bei dir sieht es ja wohl noch schlimmer aus. Eigentlich sollte man doch meinen, dass wir ganz, ganz eng zusammenrücken. Aber stattdessen kriegen wir uns in die Haare und reden aneinander vorbei und sind beide unglücklich und alleine und ...“
Mittlerweile liefen nicht nur Saschas Augen, sondern auch seine Nase. Die Flüssigkeit rann ihm über die Lippen.
„Tanja ist am Ende und Aiden wird bestimmt bald sauer. Die Kids gucken mich an, als hätte ich den Weihnachtsmann ermordet. Meine Eltern stecken in der Krise und Katja sitzt heulend zu Hause, während meine Mutter mein Zimmer ausräumt. Sie hat sie geschlagen! Weil sie meine Sachen retten wollte und ich kann nicht mehr. Bitte schick mich nicht weg. Ich will einfach nur hier sein und mit dir Zeit verbringen, damit wir unsere Wunden lecken können.
Ich will dir doch so gerne helfen. Wir haben so viel vor. Wenn ich hierher kommen kann, geht es mir gut. Und ich weiß, dass es dir auch gut geht, wenn ich hier bin. Sieh dich doch an. Du stehst nicht mehr auf. Wie ich dich kenne, hast du in den letzten Tagen vermutlich nichts gegessen. Mann, es liegt doch gar nicht an uns! Es liegt an denen, weil sie uns keine Minute zur Ruhe kommen lassen. Weil sie auf uns herumtrampeln als wären wir der letzte Dreck.
Und mittlerweile glaube ich fast daran. Wir beide ... du und ich ... wir müssen zusammenhalten. Ich brauche dich. Ich fühle mich dabei beschissen, weil es eigentlich anders herum sein sollte und meine Sorgen gegen deine nicht der Rede wert sind. Aber ich kann es nicht ändern.
Alles, was ich will, ist hier sein und vergessen. Und du sollst dich bei mir sicher fühlen. Ich will nie wieder herausfinden müssen, dass du mir etwas verschweigst. Du musst mich nicht schützen. Du musst mir doch eine Wahl lassen. Weißt du, wie ekelhaft ich
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