Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
Vom Netzwerk:
in ihm den Wunsch zu schreien.
    Er wollte gehen, aber er wusste nicht wohin. Er wollte zu Boden gehen. Er wollte betteln. Aber am meisten wollte er, dass Andreas das Stoppschild aus seinem Gesicht entfernte und es ihm erlaubte, sich ihm zu nähern.
    „Ich habe die Party abgesagt“, brach es leise aus ihm hervor.
    „Klar. Jetzt, wo es dir selbst mies geht“, entgegnete Andreas bitter und wandte den Blick ab.
    So enttäuscht, so verletzt, frei von jedem Vertrauen.
    Sascha wurde matt zumute. Ein Krampf zuckte durch seine rechte Wade, als wäre auch sein Körper der Meinung, dass es an der Zeit war, sich fallen zu lassen. Vielleicht konnte er sich durch den Fußboden graben, bis er im Fundament des Hauses ankam? Er könnte sich dort wie ein Igel zusammenrollen und den Rest des Winters verschlafen.
    Andreas. Das hier konnte nicht passieren, durfte nicht geschehen. Wo blieb die ausgleichende Gerechtigkeit?
    Tief in Sascha sprang etwas an und wurde aktiv. Selbstschutz. Ein Hauch von Intelligenz. Vorahnung. Er handelte, ohne nachzudenken, aber plötzlich griff er nach seinem Handy und warf es auf das Bett wie einen Fehdehandschuh.
    Er schrie: „Weißt du, wenn das hier ein schlechter Hollywoodstreifen wäre, würde ich jetzt gehen und du würdest erst am Ende des Films erfahren, dass ich die Party abgesagt habe, bevor Katja mich angerufen hat. Ruf Isa an. Frag sie. Ihre Nummer ist im Speicher.“
    Nach diesen Worten spürte Sascha, wie ihn die Kraft verließ.
    Der letzte Nervenstrang zerfaserte und zurück blieb ein Teenager ohne Sicherheiten, ohne Selbstbeherrschung, ohne Schutzschicht. Verzweifelt wartete er auf ein Zeichen von Andreas, auf ein Entgegenkommen, auf eine Hand, die sich ihm entgegen streckte.
    Doch als sein Freund nichts sagte, ihn nur weiterhin stumm ansah, brach Saschas emotionales Rückgrat in sich zusammen. Die einzelnen Wirbelkörper bestanden aus Millionen ungesagter Dinge, aus Kleinigkeiten, die er nie beim Namen genannt hatte, aus quälenden Gefühlen, die wie scharfkantige Knochensplitter durch seinen Körper flogen, aus Tränen, die er nicht geweint hatte.
    Bis heute.
    Obwohl er nicht eingeladen worden war zu bleiben, taumelte Sascha zum Bett und setzte sich auf das untere Ende der Matratze. Sein Rücken war Andreas zugewandt, als er den Kopf in seinen Händen verbarg und die erste Feuchtigkeit über seine Finger rinnen spürte. Die Kante des Bettes gab ihm Stabilität. Der vertraute Geruch weckte die Sehnsucht nach der Nähe, die sie in diesem Zimmer miteinander zu teilen pflegten. Der zum Bersten gefüllte Luftballon in Saschas Brust explodierte.
    Und er begann zu reden, wie er es noch nie zuvor getan hatte. Denn noch nie hatte er so sehr gelitten und noch nie war es ihm so wichtig gewesen, einen anderen Menschen wissen zu lassen, was in ihm vor sich ging. Noch nie war es von solch verzweifelter Wichtigkeit gewesen, verstanden zu werden.
    „Ich verstehe das nicht“, begann er tonlos. „Ich brauche dich und du brauchst mich, aber du vertraust mir überhaupt nicht. Du gehst immer vom Schlimmsten aus. Ja, ich habe Scheiße gebaut. Ich habe mich von Isa bequatschen lassen, auf diese blöde Party zu gehen. Ich habe ihr zugesagt, ohne vorher mit dir zu sprechen. Das war ganz großer Mist, aber du glaubst doch wohl nicht, dass ich lieber auf diese Party gehe, als bei dir zu sein, oder?“
    Er warf einen Blick über seine Schulter. Andreas schien zur Sphinx erstarrt zu sein. Sein Gesicht war ebenso rätselhaft und doch leer wie das des mysteriösen Bauwerks in Ägypten. Aber in seinen Augen brannte ein schwarzes Feuer, das von Einsamkeit und Verrat erzählte.
    „Oh mein Gott“, wisperte Sascha entsetzt. „Du denkst das wirklich, oder? Dass es mir egal ist, was du dir wünscht? Dass ich scharf auf die Party bin? Was glaubst du eigentlich, wie sehr ...“
    Ein letztes Mal hielt er inne, bevor er sich dem Drängen in seiner Seele nicht länger widersetzen konnte. Ungefiltert und mit brachialer Gewalt erlaubte er es seiner Zunge auszusprechen, was in ihm vor sich ging.
    Egal, wie beschämend es war. Egal, wie gerne er Andreas schonen wollte. Egal, ob er sich damit erniedrigte.
    „Weißt du, was ich mir wünsche? Für Silvester? Ich wünsche mir, dass ich auf diese Party gehen kann. Aber nicht, um dort mit den anderen einen draufzumachen. Ich möchte dich dabei haben. Ich weiß, dass es nicht geht.
    Aber ich wäre stolz, mich dort mit dir blicken zu lassen. Ich würde wahnsinnig gerne mit meinem

Weitere Kostenlose Bücher