Leben im Käfig (German Edition)
sie sich erhoffen.“
„Leichter gesagt als getan.“
„Das ist mir bewusst. Geben Sie sich Mühe. Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Vorbereitungen. Ein kluger Kopf wie Sie sollte nicht mit einem Zweier-Durchschnitt herumlaufen, wenn er 1,5 oder 1,4 erreichen kann.“ Ein feines Lächeln kräuselte die Runzeln um Herrn Wallraffs Mund. „Und jetzt sehen Sie zu, dass Sie nach Hause kommen.“
Nichts tat Sascha lieber. Obwohl der Lehrer keinesfalls unfreundlich gewesen war, schlich er geknickt aus dem Klassenraum in Richtung Ausgang. Die meisten seiner Mitschüler waren bereits fort, aber die verbliebenen riefen ihm ein fröhliches „Bis morgen Abend“ zu.
Richtig, die Party. Er freute sich darauf, aber konnte die Worte seines Lehrers nicht abstreifen.
Unbehaglich machte er sich auf den Weg nach Hause. Durch das Busfenster betrachtete er die winterlich-grauen Bürgersteige, die Jugendlichen, die sich mit dem Fahrrad auf den Weg nach Hause machten, ohne sie wirklich zu sehen.
Wallraff hatte recht. Sascha hatte böse geschlampt. Daran konnte auch die Tatsache nichts ändern, dass er am vergangenen Nachmittag mühsam versäumten Stoff nachgeholt hatte. Seine Lücken waren immens und er wusste es. Der Schulwechsel hatte für mehr Durcheinander gesorgt, als er anfangs hatte sehen wollen.
Er musste und wollte ein gutes Abitur abliefern. Die Frage nach seiner Zukunft interessierte ihn weniger. Jeder wusste, dass die Frage, welche Leistungskurse man besucht hatte, hinterher nicht mehr von Belang war.
Was er jedoch nicht wollte, war, dass seine Mutter neue Munition in der Schlammschlacht gegen Tanja und ihn gewann. Oder dass sein Vater auf die Idee kam, dass Sascha in Hamburg ein Lotterleben führte und seine Unterstützung nicht verdiente.
Nein, ein ordentlicher Abschluss musste her.
Kurz dachte Sascha über seine Pläne für das Wochenende nach.
Auf die Party verzichten? Schon wieder? Nein. Das wollte er nicht. Weder für sich selbst noch für Erbse, der sicher furchtbar enttäuscht wäre.
Samstagmorgen hatte er versprochen, mit Isa in der Stadt zu gehen, um ein Geschenk auszusuchen.
Danach wollte er kurz zu seinem Freund. Wenigstens Hallo sagen.
Und heute? Schon wieder auf wertvolle Andreas-Zeit verzichten? Nein. Das ging auch nicht. Er war ja jetzt schon ganz kribbelig, weil sie seit vier Tagen nicht mehr miteinander geschlafen hatten.
Also Sonntag. Ja, Sonntag würde er sich auf den Hintern sitzen und lernen, bis ihm der Rauch aus den Ohren kam.
Andreas hatte ihm oft angeboten, ihm zu helfen. Vielleicht wurde es Zeit, dass er diese Hilfe in Anspruch nahm. Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ein guter, nein, ein hervorragender Plan.
Von den eigenen guten Vorsätzen erleichtert sprang Sascha an der Chaussee-Haltestelle aus dem Bus und lief die letzten Meter zum Haus seiner Tante.
Mit dem Gedanken schon halb bei Andreas – und mit einem süßen Ziehen in der Leistengegend – wollte er nur kurz seine Sachen loswerden, im Stehen nach einem Apfel schnappen und sich gleich auf den Weg in die Villa der von Winterfelds machen.
Eine aufgelöst-hysterische Tanja, ein verweinter Fabian und eine erschrocken auf der Treppe sitzende Sina gehörten nicht zu seinen Plänen.
„Was ist denn hier l ...?“
„Oh Gott, da bist du ja. Du bist meine Rettung“, rief Tanja aufgebracht.
Sie kniete mit einer Schere in der Hand neben ihrem blassen Sohn. Um sie herum lagen die Fetzen eines zerschnittenen Turnschuhs.
Abgesehen von seinem Schreck fand Sascha es faszinierend, wie schnell sich seine gelassene Tante in ein nervöses Wrack verwandeln konnte, wenn sie sich Sorgen um ihren Nachwuchs machte. Eine aufgebrachte Mutterhenne war nichts dagegen: „Fabi ist umgeknickt und ich glaube ... also eine Bänderdehnung ist das nicht ... und Aiden hat sich auf den Weg gemacht, steht aber im Stau ... und ich will nicht mehr warten, aber du kennst doch die Notaufnahmen ... unfreundlich und Verletzte ... kannst du bei Sina bleiben, bis Aiden da ist?“
Eine andere Antwort als „Selbstverständlich“ war keine Option.
Somit fand Sascha sich zehn Minuten später mit seiner aufgeregten Cousine in deren Kinderzimmer wieder; umgeben von Stofftieren, die allesamt Ketten aus Geschenkband und Holzperlen um den Hals trugen, und ängstlichen Fragen.
„Was machen sie denn mit Fabi?“, quäkte Sina, während sie nervös das Ohr eines Stoffhasen zwischen den Fingern rieb. „Muss er lange im Krankenhaus bleibt? Kann es passieren, dass
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