Leben, Liebe, Zuckerguss (German Edition)
ordentlich trinken kann.“
Sie leerte das Glas in einem Zug und stellte es zurück auf einen Tisch. Im Saal war absolute Stille. Keiner sagte etwas. Alle schienen aus lauter Peinlichkeit zur Salzsäule erstarrt zu sein. Aus der Menge sah sie ihre Mutter hervortreten. Ihre Eltern hatte sie völlig vergessen.
Eigentlich wollte Julia sie ni cht dabei haben. Erstaunlicherweise bestanden Ullis Eltern darauf. Nun wusste sie auch warum. Noch immer war ihr nicht klar, weshalb Ulli sie heiraten wollte. Sie war alles andere als eine gute Partie.
Eine Hochzeit, die diesem Rahmen angemessen gewesen wäre, hätte ihr Vater niemals bezahlen können. Sicher hätte man das von ihm erwartet, als Vater der Braut. Sie hätte einen Kredit aufnehmen müssen, um die Kosten zu übernehmen und ihren Vater nicht wie einen Trottel dastehen zu lassen.
„Kind“, sagte ihre Mutter besorgt, „sei nicht dumm. Entschuldige dich für alles und heirate Ulli, bitte.“
„Mutter“, sagte Julia in rüdem Ton, der ihr schon fast wieder leid tat, „lass das. Du hast doch keine Ahnung. Fahr mit Papa nach Hause. Ich komm nächste Woche mal vorbei.“
Damit war für sie das Gespräch beendete und sie schaute sich nach Gitte um, die sofort zu ihr kam.
„Ich bin bereit, wenn du es bist“, sagte Gitte, „denen hast du es aber gegeben. Find ich klasse. Hast du gut gemacht.“
Dabei lachte sie laut und konnte sich nicht mehr zusammenreißen. Tatsächlich waren von Julias Freunden und Bekannten nur fünfzehn gekommen, die sich auch alle artig auf ihre Seite schlugen.
Als Julia kurze Zeit später vor die Tür trat, tief die sommerliche Luft einatmete, wurde ihr bewusst, was sie getan hatte. Große Erleichterung legte sich über sie, dass sie nun endlich frei war und nicht länger diese Lüge leben musste.
„Hey, Leute“, sagte sie zu den wartenden Freunden, die recht mitgenommen auf sie wirkten, „es ist mein Geburtstag, lasst uns feiern.“
3. Kapitel: Katerstimmung
Ein hämmernder Kopfschmerz hinderte sie daran ihrem Körper die Ruhe zu gönnen, die er brauchte, um zu verdauen, was sie in der letzten Nacht erlebt hatte. Es war bereits Sonntagmittag, als sie ihre verquollenen Augen öffnete. Eigentlich hätte sie diese lieber für immer verschlossen.
Sie wollte einer Realität, die sie sich selbst geschaffen hatte, nicht ins Antlitz sehen müssen. Zudem glaubte sie, dass ein kleiner Mann auf ihrer Schulter mit einem fiesen Hämmerchen dabei war ihre Schädeldecke zu öffnen. Als sie im Morgengrauen endlich in die Horizontale kam, glaubte sie, mit dem Bein, was sie auf den Boden stellte, endlich das Drehen in ihrem Kopf beenden zu können. Allerdings ohne Erfolg. Sie war so betrunken, dass sie, einer Ohnmacht nahe, eingeschlafen war.
Sie sah sich um, konnte jedoch nicht begreifen, wo sie sich befand. In ihrem Bett war sie nicht. Langsam dämmerte ihr, da ihr die Umgebung irgendwie bekannt vorkam, dass sie in Gittes Wohnung auf dem Sofa lag. Noch immer hatte sie ihr Kleid an und einen grauenvollen Geschmack im Mund.
Umständlich rollte sie sich vom Sofa und krabbelte auf allen vieren in Richtung Toilette. Bei der Tür angekommen, zog sie sich daran hoch. Augenblicklich war der Drehschwindel da und sie dachte, es sei wohl besser, wenn sie sich wieder auf den Boden legte.
Der Drang ihrer Blase ließ allerdings kein längeres Verweilen zu. Wankend schlich sie über den Flur ins Bad. Müde ließ sie sich auf der Toilette nieder und wäre beinah wieder eingeschlafen.
Nachdem sie dann einen Schluck Wasser getrunken hatte, ging es ihr geringfügig besser. Sie schaute in den Spiegel und war schockiert über den Anblick, der sich ihr bot. Wer war diese dicke Frau?
Noch nie hatte sie sich so gesehen und noch nie war ihr aufgefallen, wie sehr sie sich verändert hatte. Ihr Gesicht war rund. Waren nicht früher einmal Knochen zu sehen gewesen? Wo war eigentlich ihr Hals abgeblieben? Und wieso wollte Ulli diese dicke Frau heiraten?
War es nicht doch falsch gewesen sich von ihm zu trennen? Würde sich je ein anderer für sie interessieren? So sicher nicht, dachte sie. Am Waschbecken festhaltend sah sie in ihre Augen. In ihnen konnte sie sich noch erkennen. Ganz tief im Inneren war sie noch da, die Julia die sie kannte und die sie immer sein wollte: Eine angehende, erfolgreiche Anwältin.
Ihre Karriere war erst am Anfang. Sie hatte noch so viel vor. Das konnte sie sich nicht durch eine Heirat kaputt machen lassen. Und was sollte sie mit einem
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