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Leben, Liebe, Zuckerguss (German Edition)

Leben, Liebe, Zuckerguss (German Edition)

Titel: Leben, Liebe, Zuckerguss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrun Misselhorn
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entstammten einer alten traditionellen Hamburger Kaufmannsfamilie.
    Alles an ihnen war schrecklich. Sie benahmen sich immer korrekt, was auf Julia wirkte, als seien sich alle fremd. Daher wollte bei Familientreffen nie richtig Harmonie aufkommen. Julia bemühte sich um standesgemäßes Verhalten, von dem sie im Grunde keine Ahnung hatte. Was sich darin widerspiegelte, dass sie mehr als einmal aus dem Mund seiner Mutter hörte, sie möge doch bitte Contenance bewahren. Das sagte sie nie ohne Julia von oben herab und sehr abfällig anzusehen.
    Meist saß Julia in einer Ecke und sagte nichts. Ullis Brüder waren verheiratet, der älteste hatte bereits zwei Kinder, die sich perfekt dressiert zu benehmen wussten. Die Frau des anderen Bruders war schwanger, als sie ihr vorgestellt wurde. Julia wusste sofort, dass sie mit diesen Frauen nie Freundschaft schließen würde.
    Ulli wohnte nur aus dem Grund in der Langen Reihe, damit er schnell zum Ruderclub und an der Alster sein konnte. Weg von seinen Eltern, aber nicht zu weit. Außerdem empfand er es als Abenteuer in dieser Gegend zu wohnen. Es amüsierte ihn, dass seine Eltern es völlig indiskutabel fanden. Dass sei keines Falls standesgemäß. Aber die Wohnung war riesig, über hundert Quadratmeter und dafür äußerst günstig. Das stimmte seine Eltern ein wenig milde. Obwohl sie nicht geizig waren, so achteten sie, wo sie es für notwendig hielten, auf ihr Geld.
    Relativ bald nachdem Julia bei Ulli eingezogen war, lernte sie Gitte kennen, die regelmäßig Partys veranstaltete. Die beiden Frauen waren sich auf Anhieb sympathisch. Obwohl Gitte ein vollkommen anderes Leben führte. Sie war fünf Jahre älter und verdiente ihren Lebensunterhalt als Landschaftsgärtnerin. Gitte betonte jedes Mal, wenn man sie danach fragte, dass sie freischaffend sei. Sie hasste es, wenn man sie als Selbstständige bezeichnete.
    Ohne auf irgendwelche Konventionen zu achten, lebte Gitte nach ihren eigenen Vorstellungen. Julia bewunderte sie dafür, auch wenn sie wusste, dass sie selbst nie so würde leben können.
    Grundsätzlich stand Gitte nie vor zehn Uhr auf. Sie erzählte ihren Kunden, dass die Pflanzen nach zwölf Uhr mittags besser anwachsen würden. Wenn Gitte in ihrer eigenen Art versuchte Menschen zu überzeugen, hatte man keine andere Chance, als ihr zu glauben, egal, was sie einem erzählte. Sie ließ ihre braunen Rehaugen kullern und warf ihre krausen Haare in den Nacken. Gitte konnte man nur lieben. Julia verstand nicht, aus welchem Grund sich bisher kein Mann Gitte geschnappt hatte.
     
    Noch immer suchte Julia in der Menge nach Gitte, traute sich jedoch nicht sich von der Stelle zu rühren. Absolute Stille lag über allem, sie glaubte bereits, Ullis schweren Atem zu hören. Sie spürte, wie ihr der Schweiß auszubrechen drohte. Verlegen strich sie sich mit den Händen ihr neues Etuikleid der Größe zweiundvierzig glatt, was sie sich erst am Morgen kaufen musste, da all ihre anderen Kleider auf einmal eingelaufen waren.
    Sie wollte an ihrem Geburtstag nicht wie eine Presswurst aussehen. Wie sie in nur zwei Jahren derart viel an Gewicht zunehmen konnte, blieb ihr ein Rätsel. Die ersten zehn Kilo fand sie völlig in Ordnung. Endlich hatte sie weibliche Rundungen und ihre Arme bekamen vernünftige Proportionen.
    Aber es blieb nicht dabei. Sie nahm weiter zu und verlor irgendwann den Überblick. Inzwischen hatten sich ihre Oberarme, wie der Rest ihres Körpers , auf den Weg gemacht sie zu verunstalten. In regelmäßigen Abständen musste sie den Inhalt ihres Kleiderschrankes austauschen.
    Sie hasste es, wenn sie das Gefühl hatte von ihrer Kleidung eingezwängt zu werden. Anfänglich dachte sie, die paar Pfunde seien kein Problem, die würde sie schnell wieder verlieren. Ab und zu etwas weniger Essen sollte ausreichen. Sie schaffte es nur nie. Ganz im Gegenteil. Sie entwickelte einen riesigen Appetit, vor allem auf herzhaftes. Sie kam an keinem Wurststand vorbei und wenn es nach frischen Pommes Frites roch, konnte sie dem nicht widerstehen.
    Deprimiert hatte sie feststellen müssen, dass sie ausgerechnet zum Wechsel in eine neue Dekade schon wieder zugenommen hatte.
     
    Schwitzend stand Julia ihren Gästen gegenüber, die sie erwartungsfroh ansahen. In dem Moment, als Ulli sich direkt vor sie stellte, war zum Glück auch Gitte neben sie getreten. Julia blickte sie an und ihr gefiel nicht, was sie sah. Gitte lächelte verschmitzt.
    „Meine liebe Julia“, begann Ulli und nahm

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