Leben macht Sinn
Sinnsuchenden, die vor allem Wissen suchen – als Beispiel die vielen Surfer im Internet –, andere, die sich eine schnelle Befreiung erhoffen – zum Beispiel nach Bob Hoffmans »Quadrinity Process« –, wieder andere, die sich ihr Heil durch Ordnungen und Antworten ersehnen – zum Beispiel Bert Hellingers »Familienaufstellungen« –, dann gibt es Orientierungssuchende, die es zu den mittlerweile unzähligen Orten der Stille hinzieht, oder das Gegenteil, die »Sensationssuchenden«, die sich von »Eso-Trips« Erlösung versprechen, und es gibt schließlich die Wachstumsorientierten, die nach Anregungen, Ideen und vor allem nach Menschen suchen, die ihre Erkenntnisse und Anschauungen glaubwürdig vertreten und leben.
Es gibt also mehr und mehr Menschen, die nicht mehr bei den institutionalisierten Sinnträgern suchen, wie beispielsweise bei den Kirchen oder den Bildungseinrichtungen. Die Leere der großen Sinnangebote wird mittlerweile mit der Freiheit individuell angepasster Wege gesucht. Vor allem Jugendliche wachsen in eine Welt hinein, in der sie die großen Sinnangebote nicht mehr bekommen. Sieerfahren zwar in der Schule, dass es sie gibt, aber sie betrachten sie wie andere Formen von Traditionen. Viele kennen die großen Sinnversprechen nicht mehr, und beklagen auch nicht ihren Verlust. So sagt eine 17-jährige Schülerin: »Mein Laptop ist wie mein Gott.« Diesen Satz hat sie durchaus ernst gemeint. Auf die Frage, was sie damit sagen wolle, meinte sie: »Er ist überall dabei. Er weiß alles über mich. Ihm kann ich alles sagen.« Ihr Laptop, der schweigend alles absorbiert und aufbewahrt, was sie ihm tippend anvertraut, erfüllt in ihrem Alltag tatsächlich göttliche Funktionen. Er stellt ihr die Allwissenheit des Webs wie ein großzügiger Gott zur Verfügung. Er ist allgegenwärtig und immer abrufbereit.
So wird das oft folgenlose Ausprobieren – ein bisschen Yoga, ein bisschen Meditation, ein bisschen Astrologie – auch verständlich. Es gibt ein Vakuum, also sucht man selbst, was sich im Alltag unmittelbar nutzen lässt. Das ist gut verständlich und hat mit Egoismus und Oberflächlichkeit nichts zu tun. Menschen suchen auf diese Weise nach lebbaren kleinen Antworten, weil es die großen nicht mehr gibt. Der Rückzug aufs Private, auf das »Ich zuerst«, ist nur der Ausdruck dafür, dass junge Menschen, deren Zukunft ungewiss geworden ist, nach solchen Antworten suchen.
Sinn von Anfang an
Sinn begegnet uns nicht erst als Erwachsenen. Sinn begleitet uns von Anfang an.
Wenn wir unseren Kindern zusehen könnten, dann wüssten wir, wie die ersten Lektionen »Sinn« geschrieben werden. Sie beginnen in den scheinbar selbstverständlichen Dialogen von Bedürfnis und Erfüllung, die das Kind mit Mutter und Vater erlebt. Was die Kinder uns nicht sagen können: Die Berührungen ihrer liebsten Menschen geben ihnen Sinngewissheit, weil sie Urvertrauen schaffen. Neben Nahrung und Nest sind es die Hände, mit denen es in Empfang genommen wird, die liebkosen, streicheln, massieren, die den warmen Strom der Liebe zum Kind leiten. Nicht nur die Berührungen, auch die erwachenden Sinne des Kindes selbst, seine Wahrnehmungen von Wärme, von beruhigender Melodie der Stimme, von liebevollen Blicken nähren seine Lust, lebendig zu sein. Am Anfang sind es vor allem die Hände, die Vertrauen und Sinn schenken. Kinder brauchen die aufmerksamen Hände nicht nur bei den ersten Gehversuchen, sondern auch in der Pubertät, wenn sie ihre eigenen Hände beim Raufen und Kräftemessen erproben und schließlichbei ihren ersten Liebesversuchen, wenn sie die Hände ihrer Geliebten schüchtern streicheln. Hände sind die ersten Sinnvermittler und auch die letzten, wenn wir einen Sterbenden bis zum Ende begleiten. Über die Hände prägt sich die Botschaft ein: Ja, ich bin angenommen. Ich kann den nächsten Schritt wagen, ich kann weitergehen.
Auch die beruhigende Stimme, die ermunternden Worte, das Lachen, die Einladung zur Neugierde und Erforschung »Komm spiel mit mir«, all dies sorgt für Sinnproviant. Ein ganzes Leben lang. Kindern, die mit allen Sinnen begrüßt werden, fällt es leicht, sich für das Leben zu begeistern, weil sie spüren, dass der Funke der Liebe auf sie übergesprungen ist. Und weil sie sicher sind, dass es sie geben soll. Genauso wie Erwachsene, die diesen Proviant genauso wenig entbehren können, weil er den Appetit auf Sinn wachhält. Aufschlussreich ist, dass Erwachsene später sagen, dass das
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