Leben macht Sinn
Pausen, in denen sie sich noch gemeinsam diese wichtigen Lektionen über Glück, Fairness, Macht, Hilflosigkeit, Trotz, Versöhnung und Rache verschaffen.
Viele lernen viel zu schnell, ihre Gedanken, Gefühleund Wahrnehmungen der Norm anzupassen, zu resignieren, weil die Mühe sich nicht lohnt. Oder sie lernen, sich eben nur dort zu investieren, wo es etwas »bringt«. Die Folge: sie sind zu sehr damit beschäftigt, was die anderen denken könnten, zu ängstlich, der eigenen Nase zu folgen und zu bescheiden, ihren eigenen Talenten zu trauen. Sie denken, was man denken soll, und sie verlernen das Wichtigste: das Staunen und die Neugier.
Kinder, deren Fragelust wachgehalten wird, behalten ihre blitzenden Augen und bleiben neugierig, vorurteilsfrei und phantasievoll. Hört man ihnen aufmerksam zu, so staunt man selbst, wie sie aus ihren Erfahrungen stimmige Sinnstrukturen aufbauen, wie sie sich Reime aus Ungereimtem machen und wie ihnen bisweilen Sinnschöpfungen gelingen, die man nur bewundern kann.
Kinder sind Sinnschöpfer von Anfang an. Das Vergnügen ihres erforschenden Gehirns, das Fragen nach dem Warum, das Entdecken von Zusammenhängen und das Vergnügen ihrer Sinne sind von ein und derselben Natur. Das eine wie das andere ist unersättlich. Die Lust, Hände und Haut zu erkunden und die Lust, die Welt und ihre Wissensgebiete zu erkunden, unterscheiden sich kaum. Beide transportieren Sinn ins Leben, der über das Alltägliche hinausweist. Worauf weist er hin? Auf all das, was Kinder anregt, sich selbst zu erfahren, ihre Grenzen zu erforschen, sich auszutauschen, ihre Neugier zu befriedigen, Bequemlichkeit und Angst abzuschütteln. Alles, was dazu beiträgt, zu wachsen und mit eigener Stimme zu sprechen, lässt sich mit Ehrgeiz und Leistungswillen nur unzureichend erklären. Vielmehr sind es Annäherungen an den Sinn des Eigenen, weil wir ahnen, dass wir zu größeren Zielen, als wir momentan erkennen können, unterwegs sind. Denn wer weiß, vielleicht gibt es doch etwas Größeres?
Mehr Leben
»Wer weiß, was das soll.« In diesem Satz schwingt die Hoffnung mit, dass es vielleicht doch so etwas wie ein Ziel, eine Absicht, ein Muster, einen Plan oder irgendeinen Zusammenhang geben möge. »Wer weiß, wozu es gut ist.« Haben wir diesen Satz nicht hin und wieder gesagt, wenn wir einem Misslingen entkommen, oder ihm nachträglich irgendeinen Sinn geben wollten? Das Verlangen, Erfahrungen einem Sinn zuzuordnen, statt dem blinden Zufall, begleitet und lenkt unser Verhalten, mehr als es uns bewusst ist. Tatsächlich begleitet uns Sinnhunger von Anfang an. Frankl spricht von dem uns mitgegebenen Drang nach Selbsttranszendenz (Selbstüberschreitung). Auch wenn wir ihn oft nicht wahrnehmen, so kennen wir diese Beruhigung und Befriedigung, wenn es uns gelingt, Ereignisse und Erfahrungen zu verstehen und einzuordnen. »Wo Sinn erfahrbar wird, ist Glück die Folge«, so der Berliner Philosoph Wilhelm Schmid. Man müsste sehr viel Energie und Kraft aufbieten, um ohne dieses »Wozu«, diese Gewissheit, »dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht« (Václav Havel), weiterzumachen.
Letztlich ist es nicht der Erfolg an sich, der MenschenGlück, Freude und Zufriedenheit verschafft, sondern das Wissen, eine sinnvolle Aufgabe erfüllt zu haben. »Es war ein Schockerlebnis, als ich realisierte, dass meine ersehnte Berufung mich richtig kalt ließ. Ich spürte, das wird eine Einbahnstraße, die für mich keinen Sinn macht«, so die Erfahrung einer angehenden Professorin, die ihr Leben daraufhin noch einmal völlig umkrempelte.
Frankl hat den Satz zum Lebensmotto erhoben: »Wer ein Warum hat, kann jedes Wie erfragen.« Er variiert damit den Satz von Nietzsche vom Warum, das jedes Wie erträglich macht. Frankl trifft damit nicht nur mitten in unsere Sehnsüchte, sondern bekräftigt auch, dass wir ein Recht auf Sinn haben. Es ist für uns weder zumutbar noch erträglich, dass es im individuellen und sozialen Leben keinen Sinn geben solle. Das deutsche Grundgesetz bekräftigt dies, indem es die Würde des Menschen voranstellt. Damit ist Sinn auch gesellschaftlich verankert. Aber wir müssen ihn ganz und gar leidenschaftlich wollen, denn er ist nirgendwo vorgegeben. Es geht darum, ihm die manchmal verborgenen Türen zu öffnen. Letztendlich geht es um die Einstellung: Wie will ich leben? Wie wollen wir miteinander leben?
Arthur Schopenhauer, der geniale Existentialphilosoph, war einer derjenigen, die aufzeigten, wie sinnlos das
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