Leben mit Hochsensibilitaet
erkannte mehr denn je, dass die Probleme, die sie schon seit ihrer Kindheit hatte, in der Hochsensibilität begründet lagen. Vor eineinhalb Jahren brach sie jeden Kontakt mit ihrer Familie ab. Sie hielt die negativen Strukturen, in denen die Familienmitglieder verharrten, nicht mehr aus. Sie erlebte deren Denkweise und Meinungen buchstäblich als lähmend, wollte eigene Entscheidungen treffen und sich vom Familiendruck lösen. „Wegen meiner großen Sensibilität und dem starken Einfluss der Familie gab es für mich keine andere Wahl“, sagt sie. „Deren negative Gedanken fühle ich an der linken Seite meines Körpers als Spannung und in meinen Armen als Schmerz. Ein Heilpraktiker ließ mich einmal fühlen, wie ich die Beziehung zu meiner Mutter um mein sechstes Lebensjahr erfuhr: Ich sah mich gefangen in einem Kettenhemd aus Gefühlsfäden, die von meiner Mutter ausgingen.“
Viele Hochsensible haben sich gerade deshalb angepasst, weil sie so aufmerksam sind. Stärker als ihre weniger sensiblen Geschwister und Freunde bemerkten sie Spannungen in der Familie und in der Schule. Obwohl sie tief in ihrem Herzen vielleicht recht glücklich und zufrieden mit sich selbst sind (und eigentlich wissen, was sie brauchen), leben sie den größten Teil ihres Lebens – ihres nach außen sichtbaren Lebens – entsprechend den Erwartungen und dem Bild, das andere von ihnen haben. Das macht sie zu wahren Chamäleons. Oder, wie es Marian van den Beuken in ihrem Buch
Hochsensibilität als Herausforderung
sagt: „Ich kann mich selbst mit inneren und mit äußeren Augen sehen, mit dem Blick eines Kritikers und mit dem Blick, der aus dem wahren Selbst kommt.“
Vielleicht bist du durch ähnliche Lebenserfahrungen traumatisiert. Vielleicht hattest du etwas mehr Glück als andere und wurdest von sensiblen Eltern mit Aufmerksamkeit und Einfühlungsvermögen aufgezogen. Diese Zusammenhänge werden wir noch einige Male betrachten; in den einzelnen Kapiteln kommen unterschiedliche Aspekte verschiedener Lebensphasen an die Reihe. Auf der Basis von Erfahrungen, die Erwachsene heute mit ihrer Hochsensibilität machen, und auf der Basis meiner eigenen Erkenntnisse stelle ich in jedem Kapitel Richtlinien und Tipps vor, die dir helfen können, die Eigenschaft der Hochsensibilität schätzen zu lernen. Glücklicherweise kann man sich jederzeit entscheiden, die Vergangenheit loszulassen und von Neuem zu leben. Zu leben entsprechend dem wirklichen, eigenen Selbst. Vielleicht ist das auch deine Aufgabe?
Denn Gestern ist nur ein Traum
Und Morgen einzig eine Vision
Doch durch ein gut gelebtes Heute
Wird Gestern ein Traum des Glücks
Und Morgen eine Vision der Hoffnung
Achte darum gut auf den heutigen Tag. 7
Hochsensibilität ist eine wundervolle Eigenschaft. Ich möchte dir mit diesem Buch zeigen, wie du dich selbst positiver wahrnehmen kannst – statt dich als schwierig zu betrachten, als schwach oder sonderbar. Es ist eine traurige Tatsache, dass viele Hochsensible ein negatives Selbstbild haben und das Leben aufgrund der Hochsensibilität als schwere Aufgabe erfahren. Manche leiden so sehr, dass sie keinen Ausweg mehr sehen. Natürlich hat Hochsensibilität Vor- und Nachteile. Wir werden in den folgenden Kapiteln auch etliche problematische Aspekte kennenlernen. Ich hoffe, dass das Erkenntnisprozesse anregt. Ich zeige, wie man mit auftretenden Problemen anders umgehen kann, so dass die Selbstachtung steigt. Dieser Prozess hängt vor allem davon ab, für welche Art des Daseins man sich entscheidet. Hochsensibilität ist eine Eigenschaft, mit derman sehr gut leben kann. Und wenn man damit gut leben kann, kann man auch lernen, ihre Früchte zu ernten.
Die östliche Philosophie gibt uns eine Reihe nützlicher, praktischer Konzepte, die, wenn man sie anwendet, Hochsensiblen besonders gut tun. Ich meine damit: inneres Gleichgewicht, Erdung, nährende Energie, Loslassen und die Kraft der Stille. Meiner Erfahrung nach bieten entsprechende Kenntnisse hochsensiblen Menschen viele Vorteile.
Auf diese Konzepte werde ich im Folgenden näher eingehen und Übungen zu ihrer praktischen Umsetzung vorstellen.
2 Körpererfahrung
2.1 Dein Körper als dein Haus
Wenn wir in einem Haus wohnen, möchten wir uns darin auch zu Hause fühlen. Deshalb richten wir es nach persönlichem Geschmack ein. Wir kaufen Möbel, die uns gefallen; wir streichen die Wände in Farbtönen, die uns ansprechen, und hängen vielleicht Objekte an die Wand, die uns charakterisieren.
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