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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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ob dieser Druck das Gesicht meines Onkels Toby zu einem freundlicheren Oval verkürzte, – oder ob sein menschenfreundliches Herz, als er seinen Bruder allmählich aus jenem Meer der Trübsal emportauchen sah, seine Muskeln angespannt hatte, – so daß der Druck auf sein Kinn das Wohlwollen, welches schon vorher darin lag, nur verdoppelte. – Als mein Vater den Kopf nach ihm drehte, traf ihn ein solcher Sonnenstrahl, daß die Starrheit seines Kummers im Nu daran schmolz.
    Er brach das Stillschweigen mit folgenden Worten:

89. Kapitel.
    Bruder Toby, rief mein Vater, indem er sich auf seinem Ellbogen erhob und sich nach der entgegengesetzten Seite des Bettes herumdrehte, wo mein Onkel Toby auf seinem alten befranzten Stuhle mit dem Kinn auf der Krücke saß, – Bruder Toby, rief er, hat je ein armer unglücklicher Mann so viele Hiebe erhalten? – Die meisten, die ich austheilen sah, erwiderte mein Onkel Toby und zog dabei die Glocke am oberen Ende des Bettes, damit Trim kommen möchte – erhielt ein Grenadier, soviel ich mich erinnere, von Mackay's Regiment.
    Wenn mein Onkel Toby meinem Vater eine Kugel durchs Herz geschossen hätte, hätte er nicht jäher mit der Nase auf die Decke fallen können.
    Herr, du meine Güte! sagte mein Onkel Toby.

90. Kapitel.
    War es nicht bei Mackay's Regiment, fragte mein Onkel Toby, daß der arme Grenadier wegen der Dukaten so unbarmherzig in Brügge gepeitscht wurde? – O Jesus! rief Trim mit einem tiefen Seufzer, und er war erst noch unschuldig, und wurde fast zu Tode gepeitscht, halten zu Gnaden! Es wäre besser für ihn gewesen, sie hätten ihn gleich todt geschossen, wie er bat, und er wäre gerades Weges in den Himmel gekommen, denn er war so unschuldig wie Euer Gnaden. – Ich danke dir, Trim, sagte mein Onkel Toby. – Ich denke nie an sein und meines armen Bruder Toms Unglück, fuhr Trim fort, denn wir waren alle drei Schulkameraden, ohne, daß ich heule wie ein Feigling. – Thränen sind kein Beweis von Feigheit, Trim; – ich vergieße selbst bisweilen welche, versetzte mein Onkel Toby. – Das weiß ich, Euer Gnaden, erwiderte Trim, und deshalb schäme ich mich auch ihrer nicht. – Aber denken zu müssen, Euer Gnaden, fuhr Trim fort und eine Thräne stahl sich ihm dabei in den Augenwinkel, – denken zu müssen daß zwei brave Burschen mit so warmen Herzen im Leibe und so ehrlich, wie Gott einen nur erschaffen kann, die Kinder ehrlicher Leute, – die so froh und muthig in die Welt gingen um drin ihr Glück zu machen, – daß sie so übel fahren mußten! – daß der arme Tom wegen eines Nichts – weil er eine Judenwittwe, die Würste verkaufte, geheirathet hatte, – auf die Folter gespannt wurde! – daß dem ehrlichen Dick Johnson wegen der Dukaten, die ein Anderer in seinen Tornister geschoben hatte, die Seele aus dem Leibe gepeitscht wurde! – O! das sind Schicksale, rief Trim und zog sein Taschentuch heraus – das sind Schicksale, Euer Gnaden, wegen der man sich wohl nieder werfen und laut schreien dürfte.
    Mein Vater wurde unwillkürlich roth.
    Es sollte mir leid thun, Trim, sagte mein Onkel Toby, wenn du je dein eigenes Geschick beklagen müßtest; – du fühlst so zart für Andere. – Ach Gott! erwiderte der Corporal und sein Gesicht hellte sich auf, Euer Gnaden wissen ja, ich habe weder Weib noch Kind; – ich kann ja keinen Kummer auf der Welt haben. – Mein Vater mußte unwillkürlich lächeln. – Ja, ja, Trim, so wenig als irgendeiner, versetzte mein Onkel Toby; ich könnte auch gar nicht begreifen, wie ein Mensch von deinem leichten Herzen zu einem Leiden kommen sollte, außer, wenn in deinem hohen Alter die Noth der Armuth über dich käme, wenn du keinen Dienst mehr leisten kannst, Trim, – und deine Freunde todt sind. – O fürchten das Euer Gnaden nicht, entgegnen Trim heiter. – Ich möchte aber, daß du nichts zu fürchten hättest, Trim, erwiderte mein Onkel Toby; und deshalb, fuhr mein Onkel Toby fort, warf die Krücke weg und stellte sich auf seine eigenen Beine, als er das Wort »deshalb« aussprach, – sollst du, Trim, als Belohnung für deine vieljährige Treue gegen mich und für die Herzensgüte, von der ich so viele Beweise hatte, – solang dein Herr noch einen Schilling hat, – Niemand auch nur um einen Pfennig ansprechen, Trim. – Trim versuchte meinem Onkel Toby zu danken; – er vermochte es aber nicht, – die Thränen flossen ihm so schnell die Wange herab, daß er nicht damit fertig wurde sie abzuwischen. –

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