Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
Er legte die Hände auf sein Herz, – machte eine Verbeugung bis auf den Boden hinab, – und schloß die Thüre.
Ich habe Trim meinen Schanzplatz vermacht, sagte mein Onkel Toby. – Mein Vater lächelte. – Und außerdem habe ich ihm eine Pension ausgesetzt, fuhr mein Onkel Toby fort. – Mein Vater wurde ernsthaft.
91. Kapitel.
Ist das jetzt eine passende Zeit, um von Pensionen und Grenadieren zu sprechen? sagte mein Vater zu sich selbst.
92. Kapitel.
Als mein Onkel Toby zuerst des Grenadiers erwähnte, fiel mein Vater wie gesagt mit der Nase flach auf die Decke und zwar so jählings, wie wenn mein Onkel Toby ihn niedergeschossen hätte. Ich habe jedoch nicht beigefügt. daß auch jedes andere Glied meines Vaters gerade wie die Nase genau wieder dieselbe Stellung annahm, in der er zuerst dalag; so daß, als Corporal Trim das Zimmer verlassen hatte und mein Vater sich geneigt fühlte, sich vom Bett zu erheben, – er all' die kleinen vorbereitenden Bewegungen wieder durchmachen mußte, ehe er es vermochte. – Stellungen an sich bedeuten nichts, Madame! – aber der Uebergang von einer Stellung zur anderen, – wie die Vorbereitung und Auflösung der Mißstimmung in Harmonie, bedeutet Alles.
Deshalb führte mein Vater wieder dasselbe Zwischenspiel mit der großen Zehe auf dem Boden auf, – stieß den Nachttopf noch etwas weiter von der Bettkante zurück, – ließ ein Hem! ertönen, – erhob sich auf dem Ellbogen und war eben im Begriff sich an meinen Onkel Toby zu wenden, – als er sich erinnerte, wie wirkungslos seine erste Anstrengung in dieser Stellung gewesen war. Er stand deshalb vollends auf, ging drei Mal im Zimmer auf und ab und blieb dann scharf vor meinem Onkel Toby stehen. Hierauf legte er die drei ersten Finger seiner rechten Hand in die geöffnete Linke, bückte sich ein wenig vor und sprach dann also zu meinem Onkel Toby:
93. Kapitel.
Wenn ich über den Menschen nachdenke, Bruder Toby, und jene dunkle Seite von ihm betrachte, welche sein Leben darstellt, wie es so vielen Ursachen der Wirrsal Preis gegeben ist; – wenn ich bedenke, Bruder Toby, wie oft wir das Brod der Betrübniß essen, und daß wir hiefür geboren sind, als einem Theil unserer Erbschaft – Ich war zu nichts als zu meiner Offiziersstelle geboren, unterbrach mein Onkel Toby meinen Vater. – Ei daß dich! sagte mein Vater, hinterließ dir nicht mein Onkel 120 Pfund jährlich? – Was hätte ich ohne sie anfangen können? fragte mein Onkel Toby. – Das ist eine andere Frage, sagte mein Vater trocken; aber ich sage dir, Toby, wenn man die Liste all' der Querstriche und traurigen Hems überblickt, womit das menschliche Herz belastet ist, so muß man sich nur wundern, vermöge welcher verborgenen Hilfsmittel das Gemüth im Stande ist, Alles das auszuhalten und mit all den Lasten, die ihm unsere Natur auferlegt, so fertig zu werden, wie es wirklich thut. – Das geschieht eben unter dem Beistand des allmächtigen Gottes, sagte mein Onkel Toby, indem er zum Himmel empor schaute und die flachen Hände gegen einander preßte, – aus unserer eigenen Stärke vermögen wir das nicht, Bruder Shandy; – ebensogut könnte es eine Schildwache in einem hölzernen Schilderhause mit einer Abtheilung von 50 Mann aufzunehmen wagen. – Die Gnade und der Beistand des Besten aller Wesen hält uns aufrecht.
Das heißt den Knoten zerhauen, statt ihn aufzulösen, erwiderte mein Vater. – Aber erlaube, Bruder Toby, daß ich dich etwas tiefer in das Geheimniß einführe.
Herzlich gern, erwiderte mein Onkel Toby.
Mein Vater tauschte sofort die Stellung, die er eingenommen hatte, mit derjenigen, in welcher Rafael den Socrates in seiner Schule von Athen so schön gemalt hat; der geneigte Leser weiß, daß diese so geistreich erfunden ist, daß sogar die besondere Art und Weise, wie Socrates zu raisonniren pflegte, dadurch ausgedrückt wird; – denn er hält den Zeigfinger seiner linken Hand zwischen dem Zeigfinger und Daumen der Rechten; gerade als ob er zu dem Wüstling, dem er ins Gewissen redet, sagen wollte: Ihr gebt mir dies – und dies zu; um das und das frage ich euch gar nicht – das folgt ganz von selbst daraus.
So stand mein Vater da, hielt den einen Zeigefinger fest zwischen dem Daumen und dem anderen Zeigefinger, und raisonnirte mit meinem Onkel Toby, der noch immer auf dem alten befranzten Stuhle saß, welcher mit abgebleichten gesponnenen Troddeln besetzt war. – O Garrick! – welch' eine reiche Scene würde dein
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