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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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seine Nase umzudrehen. – Wie so das? rief der Reisende und fuhr in die Höhe. – Seine Nase ist so gar lang, erwiderte der Wirth. – Der Reisende schaute auf Jacinta, dann auf den Boden, – kniete dann auf sein rechtes Knie und legte die Hand auf die Brust. – Scherzt nicht mit meiner Angst, sagte er dann und erhob sich. – Es ist kein Scherz, erwiderte Jacinta, es ist eine wundervolle Nase! – Der Reisende fiel abermals auf sein Knie, – legte die Hand auf die Brust – und sprach, indem er das Auge zum Himmel erhob: Dann hast du mich an das Ende meiner Wanderschaft geführt – dann ist's Diego!
    Der Reisende war der Bruder derselben Julia, die der Fremdling während er auf seinem Maulthier von Straßburg herritt, so oft angerufen hatte; er kam in ihrem Auftrag, um den Fremdling aufzusuchen. Er hatte seine Schwester von Valladolid über die Pyrenäen durch Frankreich begleitet und hatte in seiner Verfolgung durch die vielfachen Krümmungen und schroffe Absprünge, wie sie der Dornenpfad eines Liebhabers mit sich bringt, manchen Knäuel abzuwickeln gehabt.
    Julia war den Anstrengungen erlegen, – in Lyon vermochte sie keinen Schritt weiter zu reisen; sie erkrankte hier an den vielen Unruhen eines zärtlichen Herzens, von denen Alle sprechen, – die aber nur Wenige fühlen, – hatte jedoch noch soviel Kraft, um einen Brief an Diego zu schreiben; und nachdem sie ihren Bruder beschworen, nicht wieder zu ihr zurückzukehren, bis er ihn aufgefunden und ihm den Brief übergeben hätte, legte sich Julia auf das Krankenlager.
    Fernandez (dies war der Name ihres Bruders) konnte in seinem Bett kein Auge schließen, obgleich es so weich war wie irgend eines im Elsaß. – Sobald der Tag angebrochen war und er hörte, daß Diego sich erhoben hatte, trat er bei ihm ein und entledigte sich des Auftrags seiner Schwester.
    Im Brief stand Folgendes.

Herr Diego,
    Mag mein Verdacht in Betreff Eurer Nase ein berechtigter gewesen sein oder nicht, – darum handelt es sich jetzt nicht; – es ist genug, daß ich nicht Entschlossenheit genug besaß, um es näher zu untersuchen.
    Wie habe ich mich doch so wenig gekannt, als ich meine Duenna zu Euch schickte, um Euch zu verbieten, je wieder unter mein Gitter zu kommen? Und wie habe ich Euch so wenig gekannt, Diego, daß ich glauben konnte, Ihr würdet auch nur einen Tag länger in Valladolid bleiben, um meine Zweifel zu heben? – Mußtet Ihr mich verlassen, Diego, weil man mich getäuscht hatte? oder war es freundlich, mich beim Wort zu nehmen, mochte nun mein Verdacht gerecht sein oder nicht, und mich zu verlassen, wie Ihr thatet, eine Beute so großer Ungewißheit und Betrübniß?
    Wie schmerzlich Julia dies empfunden hat, – wird Euch mein Bruder erzählen, wenn er diesen Brief in Eure Hände legt; er wird Euch sagen, wie bald sie die übereilte Botschaft, die sie Euch sandte, bereut hat, – in welch' wilder Hast sie nach ihrem Gitter stürzte, und wie viel Tage und Nächte sie unbeweglich auf ihrem Ellbogen lehnte und nach dem Wege ausschaute, woher Diego zu kommen pflegte.
    Er wird Euch erzählen, wie sie, als sie hörte, Ihr seiet abgereist, fast den Verstand verlor, wie ihr Herz litt, – wie jämmerlich sie klagte, – wie tief sie den Kopf hängen ließ. O Diego! wie manchen sauern Schritt machte ich an der Hand meines mitleidigen Bruders, um Euch wieder zu finden! wie hat die Sehnsucht mich soviel weiter geführt, als meine Kraft ging! – wie oft bin ich unterwegs ohnmächtig geworden und ihm in die Arme gesunken, nur noch fähig zu rufen. O mein Diego!
    Wenn Euer Herz Eurem edeln Wesen entspricht, so werdet Ihr jetzt ebenso rasch zu mir fliegen, als Ihr mir entflohen seid: – aber eilet so sehr Ihr möget – Ihr werdet doch nur kommen, um mich sterben zu sehen. – Das ist ein bitteres Tränklein, Diego; aber ach! es wird dadurch noch bitterer, daß ich sterben soll ohne –!«
    Sie konnte nicht weiter!
    Slawkenbergius ist der Ansicht, sie habe schreiben wollen: »ohne mich überzeugen zu lassen«; aber ihre Schwäche ließ sie den Brief nicht vollenden.
    Als der artige Diego den Brief las, ging ihm das Herz über: – er befahl, daß man alsbald sein Maulthier und das Pferd des Fernandez satteln solle; und da bei solchen Herzensstürmen – wo der Zufall, der uns ebenso oft zu einem Heilmittel als zu einer Krankheit führt, uns ein Stück Holzkohle in das Fenster schleudert – uns die Poesie weit mehr Luft macht als die Prosa, griff Diego zu der Holzkohle;

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