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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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gewann daraus die Ueberzeugung, daß das Herz seines Freundes gebrochen sei: er drückte ihm noch einmal die Hand und verließ dann unter Thränen leise das Zimmer. Yorick folgte Eugenius mit den Augen bis zur Thüre – und schloß sie dann – und öffnete sie nicht wieder.
    Er liegt in einer Ecke seines Kirchhofs im Kirchspiel —, unter einem flachen Marmorstein, den ihm sein Freund Eugenius mit Erlaubniß der Testamentsvollstrecker auf seinem Grabe hatte setzen lassen, und worauf nur die folgenden drei Worte standen, die zugleich als Grabschrift und Klagelied dienen konnten:
    Ach, armer Yorick!
    Zehen Mal im Tage hat Yoricks Geist die tröstliche Beruhigung, diese Inschrift mit einer solchen Mannigfaltigkeit des klagenden Ausdrucks zu vernehmen, daß daraus hervorgeht, wie allgemein das Bedauern um ihn und die Hochachtung für ihn ist; da nämlich ein Fußweg hart an seinen Grabe vorbei über den Kirchhof führt, – so wandelt Keiner vorüber, ohne einen Augenblick stehen zu bleiben, einen Blick darauf zu werfen – und im Weitergehen zu seufzen:
    Ach, armer Yorick!

13. Kapitel.
    Der Leser dieses rhapsodischen Werkes hat die Hebamme schon solange verlassen, daß es hohe Zeit sein dürfte, dieselbe ihm wieder in Erinnerung zu bringen, nur um ihm zu Gemüthe zu führen, daß noch so Jemand auf der Welt ist, den ich, so weit ich meinen Plan gegenwärtig übersehe, im Begriff bin, alles Ernstes bei ihm einzuführen. Da aber ein neuer Gegenstand in Angriff genommen werden soll, und zwischen dem Leser und mir viele unerwartete Geschäfte zu Tage kommen werden, die eine sofortige Abwickelung erheischen, so mußte Sorge getragen werden, daß die arme Frau in der Zwischenzeit nicht verloren ging – weil, wenn man sie brauchte, wir ohne sie nicht fertig werden könnten.
    Ich glaube, ich habe Ihnen bereits gesagt, daß diese gute Frau eine Person von nicht geringem Ansehen oder Bedeutung in unserem ganzen Dorf und Ortsgebiete war; daß ihr Ruf sich bis zum äußersten Rand des Wichtigkeitskreises erstreckte, mit dem sich jedes lebende Wesen, mag es nun ein Hemd auf dem Leibe tragen oder nicht, zu umgeben pflegt; welch' besagter Kreis übrigens, – wenn man irgend Jemand als einen Mann von großem Gewicht und Bedeutung in der Welt bezeichnet, – von Euer Wohlgeboren nach Belieben erweitert oder verengert werden kann, je nach der Stellung, dem Amt, den Kenntnissen, Fähigkeiten, der Höhe und Tiefe (die beide zu bemessen sind) der Ihnen vorgeführten Person.
    Wenn ich mich recht erinnere, so habe ich denselben im gegenwärtigen Falle auf 4–5 Meilen festgestellt, so daß nicht nur das ganze Kirchspiel, sondern auch noch 2–3 Meilen innerhalb der Grenzen des anstoßenden Sprengels mit einbegriffen waren, wodurch derselbe sehr an Bedeutung gewann. Ich muß hinzufügen, daß sie noch überdies in einem großen Meierhof und in einigen andern Häusern und Höfen auf 2–3 Meilen Entfernung von dem Rauch ihres Kamins gerne gesehen war; doch muß ich Sie hier ein für alle Mal benachrichtigen, daß alles dies auf einer Karte, welche sich gegenwärtig in den Händen des Kupferstechers befindet, genauer dargestellt und bezeichnet sein wird, welche Karte nebst vielen anderen Beweisstücken und Beilagen dem 20. Bande dieses Werks angefügt werden soll, nicht um das Werk dickleibiger zu machen – ich verabscheue den Gedanken an so etwas, sondern in der Form eines Commentars, Anhanges, einer Erläuterung oder eines Schlüssels zu solchen Stellen, Punkten oder Andeutungen, in welchen ein geheimer Sinn, eine dunkle oder zweifelhafte Meinung gefunden werden sollte, nachdem alle Welt mein Leben und meine Meinungen durchgelesen haben wird (ich sage »durchgelesen«, man vergesse den Sinn dieses Wortes nicht); – was unter uns gesagt, trotz aller Herren Kritiker in Großbritannien und trotz Allem was diese Würdigen dagegen sagen, oder schreiben werden, wie ich fest beschlossen habe, wirklich geschehen soll. Ich brauche wol Euer Wohlgeboren nicht erst zu sagen, daß ich Ihnen das ganz im Vertrauen mittheile.

14. Kapitel.

    Als ich in meiner Mutter Heirathscontract nachsah, um mich und meine Leser über einen Punkt, der nothwendig der Aufklärung bedurfte, ins Klare zu setzen, ehe wir in dieser Geschichte weiter gehen konnten – hatte ich das Glück gerade auf die Sache, die ich suchte, zu stoßen, noch ehe ich 1½ Tag darin fortgelesen hatte; es hätte mich ebenso gut einen Monat lang beschäftigen können; – woraus klar

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