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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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Gerichtsbarkeiten, Privilegien und Erbschaftsrechte irgend welcher Art – und auch das Patronatsrecht, Schenkung, Antrag und freie Verfügung über die Pfarrei, oder Seelsorge des vorbesagten Shandy und alle und jede Zehenten, Antheil und geistlichen Grundeigenthum. –
    Mit drei Worten: meine Mutter konnte (wenn es ihr beliebte) ihr Wochenbett in London abhalten. Um aber jedem unlautern Spiel von Seiten meiner Mutter, dem durch einen Artikel dieser Art gar zu offenbar Thür und Thor geöffnet wurde, und an dessen Bedenklichkeit Niemand gedacht hatte als mein Onkel Toby Shandy, einen Riegel vorzuschieben, – wurde eine Klausel zur Sicherung meines Vaters angehängt, die also lautete. – »Daß falls meine Mutter künftig zu irgend einer Zeit auf den Grund falscher Zeichen und Betheurungen meinen Vater in die Unlust und die Unkosten einer Reise nach London versetzen sollte – sie für jeden solchen Fall aller Rechte und Ansprüche, welche ihr der Vertrag gab, für das nächste Mal verlustig gehen sollte, – aber nicht weiter – und so fort,
toties quoties
, gerade so, wie wenn ein derartiger Vertrag zwischen ihnen gar nicht bestünde. – Dies war offenbar nicht mehr als billig, allein so billig es auch war, so war es doch sehr hart für mich, daß die ganze Last dieses Artikels auf mich fallen mußte, wie dies in der That geschah.
    Allein ich war nun einmal zum Unheil gezeugt und geboren; – denn meine arme Mutter, mochte nun Wind oder Wasser – oder eine Mischung beider – oder keines von Beiden daran Schuld sein, – oder war es nur eine Blase der Einbildung, der Phantasie, – oder eine Mißleitung ihrer Urtheilskraft durch das heftige Verlangen und Wünschen, daß es so sein möchte – kurz, mochte sie hiebei sich selbst oder andere getäuscht haben, was mir nicht zu entscheiden zukommt, – aber die Thatsache war die, daß meine Mutter gegen Ende September 1717, also gerade ein Jahr ehe ich geboren wurde, meinen Vater sehr gegen dessen Willen und Neigung nach der Stadt genöthigt hatte, – und er nun ganz entschieden auf der Klausel bestand, so daß ich auf Grund eines Heirathscontracts dazu verurtheilt ward, eine Nase zu bekommen, die mir so platt auf das Gesicht gequetscht wurde, wie wenn die Parzen mich überhaupt ohne Nase gesponnen hätten.
    Wie dies kam – und welch' ein Schweif von Widerwärtigkeiten und Enttäuschungen mir in jeder Lage meines Lebens, nur wegen des Verlustes oder vielmehr der Zusammenquetschung dieses einzigen Gliedes nachschleppte, – das wird der Leser Alles seiner Zeit genau erfahren.

16. Kapitel.
    Jedermann kann sich leicht vorstellen, in welch' verdrießlicher Laune mein Vater mit meiner Mutter wieder auf das Land zurückreiste. Die ersten 20 oder 25 Meilen that er nichts, als daß er sich und natürlich meine Mutter ebenfalls mit Betrachtungen über die verwünschte Auslage plagte und quälte, die wie er sagte, bis auf den Schilling hinaus hätte erspart werden können. Was ihn aber mehr als alles Andere ärgerte, war die empörende Jahreszeit, – es war wie ich bereits sagte, gegen Ende September, wo gerade sein Spalierobst und seine grünen Reineclauden, auf die er besonders versessen war, zum Abnehmen reif waren – »Wenn er in irgend einem anderen Monat im Jahr durch die Botschaft eines Hansnarren nach London gejagt worden wäre, würde er nicht drei Worte deshalb verloren haben.«
    Während der ganzen nächsten Stationen wurde nichts abgehandelt als der schwere Schlag, der ihm durch den Verlust eines Sohnes zugefügt worden, auf den er im Geiste bereits sicher gerechnet und den er bereits in sein Taschenbuch eingetragen hatte als zweiten Stab seines Alters, falls Bobby nicht einschlagen sollte. »Diese Enttäuschung« bemerkte er, »falle für einen weisen Mann noch zehn Mal schwerer in die Wagschaale als alles Geld, das ihn die Reise gekostet, zusammen; – mögen die 120 Pfund darauf gehen – er scheere sich keinen Pfifferling darum.«
    Die ganze Strecke von Stilton bis Grantham ärgerte ihn nichts so sehr auf der Welt, als die Aussicht auf die Beileidsbezeigungen seiner Freunde und der Gedanke an die lächerliche Figur, die er und seine Frau bei ihrem ersten Kirchgang am nächsten Sonntag spielen würden. In der satyrischen Heftigkeit seines Witzes, der jetzt noch durch den Aerger geschärft war, entwarf er so humoristische und haarsträubende Schilderungen hievon, und versetzte sich selbst und seine Hälfte in so peinliche Situationen und Beleuchtungen

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