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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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wenn dieses undurchdringliche Labyrinth von Schulden, Sorgen, Leiden, Mängeln, Kummer, Unzufriedenheit, Schwermuth, großen Witthümern, Betrüglichkeiten und Lügen nicht wäre!
    Dr.
Slop, dieser H—sohn, wie ihn mein Vater deshalb nannte, – hatte, um sich selbst dadurch ein Relief zu geben, – mich auf das nichtswürdigste verleumdet – und Susannes Unfall tausend Mal größer gemacht als er war; so daß es in Zeit von acht Tagen oder noch weniger in Jedermanns Munde war, dem armen kleinen Shandy sei *   *   *   *   *   * vollständig weggeschlagen; – und die Fama, die Alles zu verdoppeln liebt, – hatte drei Tage später darauf geschworen, sie habe es selbst gesehen; – und alle Welt glaubt ihr wie gewöhnlich, – daß das Fenster im Kinderzimmer nicht nur *   *   *   *   *   *   * habe; – sondern das *   *   *   * gleichfalls.
    Hätte man die Welt wie eine Körperschaft gerichtlich verfolgen können, so hätte mein Vater deshalb einen Rechtsstreit angefangen, und jene gehörig vorgenommen; einzelne Individuen aber deshalb zu packen, hätte – da Jeder, der von der Sache sprach, dies mit dem denkbar größten Mitleiden that, – seinen besten Freunden ins Gesicht geschlagen. Nahm man andererseits die Gerüchte schweigend hin, so hieß dies sie offen anerkennen, – wenigstens in der Meinung der einen Hälfte der Welt; einen Lärm dagegen aufschlagen und ihnen widersprechen, – das würde sie in der Ansicht der anderen Hälfte wesentlich bestärkt haben.
    Ist je einem armen Gutsbesitzer so mitgespielt worden? sagte mein Vater.
    Ich würde ihn öffentlich auf dem Marktplatz sehen lassen, sagte mein Onkel Toby.
    Das würde nichts helfen, sagte mein Vater.

176. Kapitel.
    Ich will ihn aber in Hosen stecken, sagte mein Vater, – mag dann die Welt dazu sagen was sie will.

177. Kapitel.
    Es gibt tausend Entschließungen in Kirche und Staat, mein lieber Leser, wie auch in Privatangelegenheiten, meine verehrte Leserin – die, trotzdem sie in einer übereilten, unbesonnenen und unüberlegten Weise gefaßt worden zu sein scheinen, gleichwohl (und wenn Sie oder ich in dem Cabinet oder hinter dem Vorhang gestanden wären, würden wir gefunden haben, daß es wirklich so war) von allen Seiten erwogen, abgewogen, – besprochen, – erörtert, durchgenommen und geprüft worden sind, und zwar mit so viel kühler Ueberlegung, daß die Göttin der Kühle selbst (ich nehme es jedoch nicht auf mich ihr Dasein nachzuweisen) es nicht besser hätte wünschen oder thun können.
    Hierher gehört der Entschluß meines Vaters mich in Hosen zu stecken; der zwar in einem Anfall von Aufbrausen und von Zorn über die ganze Menschheit zum Vollzug gebracht wurde, der aber nichts desto weniger zwischen ihm und meiner Mutter schon einen Monat vorher in zwei besonderen
Lits de justice
, [Wörtlich Gerichtsbett, in Frankreich der k. Throne im Parlament, wenn der König feierlichen Gerichtstag hielt, hier Wortspiel.] die mein Vater eigens zu dem Ende abhielt, mit allen
Pro's
und
Contra's
gerichtlich festgestellt worden war. Ich werde die Natur dieser
Lits de justice
in meinem nächsten Kapitel auseinandersetzen, und in dem darauf folgenden, sollen Sie, verehrte Leserin, mit mir hinter den Vorhang treten, um zu hören, auf welche Art und Weise mein Vater und meine Mutter diese Hosengeschichte zwischen einander erörterten; – woraus Sie sich dann eine Idee davon bilden können, wie sie alle geringeren Angelegenheiten zu behandeln pflegten.

178. Kapitel.
    Die alten Gothen Deutschlands, die (wie der gelehrte Cluverius bestimmt behauptet) zuerst in dem Gebiet zwischen der Weichsel und Oder ansässig waren, und später die Heruler, Bugier und einige andere vandalische Stämme in sich aufnahmen, – hatten die weise Sitte jede wichtige Staatsangelegenheit zwei Mal zu erörtern, nämlich einmal in betrunkenem und einmal in nüchternem Zustande, – betrunken, damit es ihren Beschlüssen nicht an Energie, – und nüchtern, damit es ihnen nicht an Klugheit fehlen möchte.
    Da nun mein Vater ein vollständiger Wassertrinker war, so war er lange Zeit in der tödtlichsten Verlegenheit, wie er diese Sitte ebenso verwenden könnte, wie er es mit fast Allem machte, was die Alten thaten oder sagten; und erst im siebenten Jahre seiner Verheirathung kam er nach tausend fruchtlosen Versuchen auf ein Auskunftsmittel, das seinem Zweck entsprach. Dies bestand darin, daß er, wenn immer ein schwieriger und

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