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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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wichtiger Punkt in der Familie festzustellen war, zu dessen Beschlußfassung es großer Nüchternheit und zugleich großen Muthes bedurfte, – die erste Sonntagnacht im Monat und die unmittelbar vorhergehende Samstagnacht bestimmte, um die Sache mit meiner Mutter im Bett zu erörtern: Wenn Sie dies in näheren Betracht ziehen, mein geehrter Leser, so werden Sie einsehen, daß in Folge dieser Einrichtung *   *   *   *   *   *   *   *   *   *   *   *   *   *
    Dies nannte mein Vater humoristischer Weise seine
Lits de justice
; – denn aus den zwei verschiedenen Beschlüssen, die in diesen zwei verschiedenen Stimmungen gefaßt wurden, ließ sich in der Regel ein mittlerer herausfinden, der den Weisheitspunkt ebenso richtig traf, als wenn er hundert Mal betrunken und nüchtern erwogen worden wäre.
    Es soll vor der Welt kein Geheimniß bleiben, daß dieses Mittel ebensogut für literarische Erörterungen, wie für militärische oder eheliche paßt; aber nicht jeder Schriftsteller kann den Versuch in der Art machen, wie es die Gothen und Vandalen thaten; – oder, wenn er es kann, möge es immer zum Heil seines Körpers sein; that man es aber wie mein Vater, – so bin ich überzeugt, war es zu seinem Seelenheil.
    Ich mache es so:
    Bei allen schwierigen und kitzlichen Erörterungen – (und der Himmel weiß, es gibt deren nur zu viele in meinem Buche) – wo ich finde, daß ich keinen Schritt thun kann, ohne den verehrten oder hochwürdigen Leser auf den Hals zu bekommen, – schreibe ich die eine Hälfte mit sattem Leib, die andere im Zustande des Fastens; – oder ich schreibe Alles im satten – und corrigire im fastenden Zustand; – oder schreibe fastend und corrigire satt; denn das kommt Alles auf Eines heraus. Auf diese Art fühle ich mich, mit einer geringeren Abweichung vom Plane meines Vaters, als dieser von dem der Gothen abwich, – ganz auf seiner Höhe in seinem ersten
Lit de justice
, – und nicht geringer als er in seinem zweiten. – Diese verschiedenen und fast unversöhnlichen Wirkungen entfließen sämmtlich dem weisen und wunderbaren Mechanismus der Natur; wofür ihr die Ehre gebührt. Alles was wir thun können, ist, daß wir diese Maschinerie zur Vervollkommnung und Verbesserung der Künste und Wissenschaften anwenden.
    Wenn ich nun aber in sattem Zustande schreibe, – so schreibe ich so als ob ich in meinem ganzen Leben nicht wieder im Zustande des Fastens schreiben würde; – das heißt ich schreibe frei von den Sorgen und Aengsten dieser Welt. – Ich zähle meine Narben nicht, – noch dringt meine Phantasie in dunkle Hausgänge und Winkel, um die Stiche, die mich dort erwarten, voraus zu datiren. – Mit einem Wort meine Feder nimmt ihren Lauf; und ich schreibe zu, ebensogut aus vollem Herzen wie aus vollem Magen.
    Aber, meine verehrtesten Leser, wenn ich im Zustande des Fastens schreibe, ist es eine ganz andere Geschichte. – Dann widme ich der Welt alle mögliche Aufmerksamkeit und Hochachtung, – und besitze (solang es dauert) eine ebenso große Portion von jener Dienstmannstugend der Bescheidenheit als der beste von Ihnen, meine Herren. – Somit schreibe ich zwischen beiden ein sorglos gemachtes, artiges, unsinnvolles, gutgelauntes Shandy'sches Buch, das allen Ihren Herzen gut thun wird.
    – Und auch allen Ihren Köpfen, – vorausgesetzt Sie verstehen es.

179. Kapitel.
    Wir sollten jetzt darauf denken, sagte mein Vater, indem er sich in seinem Bette halb herumdrehte, und sein Kissen etwas mehr gegen das meiner Mutter hinschob, als er die Erörterung begann, – wir sollten jetzt darauf denken, Frau Shandy, den Buben in Hosen zu stecken.
    Ja, das sollten wir, sagte meine Mutter. – Wir haben es bis jetzt schändlicher Weise unterlassen, meine Liebe, bemerkte mein Vater.
    Ja, das haben wir, Herr Shandy, erwiderte meine Mutter.
    Nicht als ob das Kind in seinem Röckchen nicht vortrefflich aussähe, fuhr mein Vater fort.
    O es sieht sehr gut darin aus, versetzte meine Mutter.
    Und deshalb wäre es fast Schade, es ihm zu nehmen, setzte mein Vater hinzu.
    Ja, das wäre es, sagte meine Mutter. – Aber er wird wirklich ein recht großer Junge, begann mein Vater wieder.
    Ja, für sein Alter ist er wirklich sehr groß, sagte meine Mutter.
    Ich kann mir nicht (mit Nachdruck auf »nicht«) denken, wem er nachschlägt, sagte mein Vater.
    Ja, das kann ich mir auch nicht recht denken, erwiderte meine Mutter.
    Hm! – machte mein Vater.
    Die Unterhaltung stockte eine

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