Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
Onkel Toby fort, während er den Degen an einen Nagel hängte und darauf deutete, – dies ist das ganze Vermögen, mein lieber Le Fever, das dir Gott beschieden hat; wenn er dir aber zugleich ein Herz gegeben hat, um dir damit deinen Weg auf der Welt durchzukämpfen, – und du thust das als ein Ehrenmann, – so ist es genug für uns.
Sobald mein Onkel Toby den ersten Grund bei ihm gelegt und ihn gelehrt hatte, ein regelmäßiges Vieleck in einen Kreis zu beschreiben, schickte er ihn in eine öffentliche Schule, wo er – mit Ausnahme von Pfingsten und Weihnachten, zu welchen Zeiten der Corporal regelmäßig geschickt wurde um ihn zu holen, – bis zum Frühjahr des Jahres Siebenzehn blieb. Um diese Zeit entflammte die Nachricht, daß der Kaiser seine Armee durch Ungarn gegen die Türken schicke, einen Funken in seiner Brust; er verließ sein Griechisch und Latein ohne Erlaubniß, warf sich meinem Onkel Toby zu Füßen und bat um seines Vaters Degen und die Erlaubniß mit demselben sein Glück unter Prinz Eugenius versuchen zu dürfen. – Zwei Mal vergaß mein Onkel Toby seine Wunde und rief: Le Fever, ich will mit dir gehen, du sollst an meiner Seite fechten, – und zwei Mal fuhr er mit der Hand nach dem Schambein und ließ traurig den Kopf hängen.
Dann nahm mein Onkel Toby den Degen von dem Haken herab, wo er seit des Lieutenants Tode hing und gab ihn dem Corporal, um ihn zu putzen. Vierzehn Tage behielt er Le Fever noch bei sich, um ihn auszurüsten und seine Ueberfahrt nach Livorno zu vermitteln, worauf er ihm den Degen übergab. – Wenn du brav bist, Le Fever, sprach mein Onkel Toby, wird dieser dich nicht im Stiche lassen, – wohl aber, sprach er, indem er ein wenig nachsann, – wohl aber kann es das Glück; – und wenn dies geschieht, – setzte mein Onkel Toby hinzu und umarmte ihn, dann komm zu mir zurück, Le Fever, und wir wollen dir dann eine andere Laufbahn gestalten.
Die größte Kränkung hätte das Herz Le Fevers nicht mehr bedrücken können als es die väterliche Güte meines Onkels Toby that. Er schied von meinem Onkel wie der beste der Söhne von dem besten der Väter; – beide vergossen Thränen; – und als mein Onkel Toby ihm den letzten Kuß gab, steckte er ihm noch sechzig Guineen in einem alten Geldbeutel seines Vaters, in dem sich auch der Ring seiner Mutter befand, in die Hand – und flehte Gottes Segen auf ihn herab.
174. Kapitel.
Le Fever stieß zeitig genug zur kaiserlichen Armee, um das Korn seines Degens bei der Niederlage der Türken vor Belgrad zu versuchen; aber von diesem Augenblick an verfolgten ihn zahlreiche unverdiente Unfälle und bedrängten ihn vier Jahre nach einander. Er hatte diese Schicksalsschläge standhaft ertragen, bis ihn in Marseille Krankheit niederwarf. Nun schrieb er meinem Onkel Toby, daß er seine Zeit, seinen Dienst, seine Gesundheit, kurz Alles verloren habe, bis auf sein Schwert, – und daß er nur auf das nächste Schiff warte, um heimzukehren.
Dieser Brief kam etwa sechs Wochen vor Susannes Mißgeschick an; Le Fever wurde deshalb stündlich erwartet und schwebte während der ganzen Zeit, daß mein Vater meinem Onkel Toby und Yorick eine Schilderung von der Art Persönlichkeit gab, die er für mich als Lehrer wählen wolle, meinem Onkel beständig vor Augen. Da er aber Anfangs der Meinung war, mein Vater mache gar zu sonderbare Anforderungen, vermied er es den Namen Le Fever's zu nennen, – bis die Charakterbezeichnung durch Yoricks Dazwischenkunft ganz unerwartet damit schloß, daß es ein edelgearteter, braver Mensch sein müsse. Dadurch wurde das Bild Le Fever's und sein Interesse für ihn so mächtig in meinem Onkel Toby, daß er augenblicklich von seinem Stuhle aufstand, seine Pfeife niederlegte und meinen Vater bei beiden Hände faßte. – Ich bitte dich, Bruder Shandy, rief mein Onkel Toby, dir den Sohn des armen Le Fever empfehlen zu dürfen. – Ich bitte Sie gleichfalls darum, setzte Yorick hinzu. – Er hat ein gutes Herz, sagte mein Onkel Toby. – Und ein tapferes dazu, Euer Gnaden, sagte der Corporal.
Die besten Herzen sind immer die tapfersten, Trim, erwiderte mein Onkel Toby. – Und die größten Feiglinge, Euer Gnaden, waren auch immer die größten Spitzbuben in unserem Regiment. – Da erinnere ich mich eines Sergeanten Humber, und eines Fähnrichs – Wir wollen ein ander Mal davon reden, sagte mein Vater.
175. Kapitel.
Was für eine vergnügte, lustige Welt könnte dies sein, meine verehrten Leser,
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