Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
vertrauten Bekanntschaft war, aber eine solche sofort herbeiführte; – indem sie Einen mit einem Sprung in seine Seele einführte und Einem die Gutherzigkeit seiner Natur zeigte. Hiezu kam ein gewisses Etwas in seinen Blicken, seiner Stimme, seiner ganzen Art, was den Unglücklichen unbedingt einlud zu ihm zu kommen und sich unter seinen Schutz zu begeben, so daß ehe mein Onkel Toby die freundlichen Anerbietungen, die er dem Vater machte, zur Hälfte beendigt hatte, der Sohn sich bereits unwillkürlich an seine Kniee preßte, das Bruchstück seines Rockes ergriff und gegen sich zog. Das Blut und die Lebensgeister Le Fevers, die schon kalt und matt in ihm geworden waren und sich nach ihrer letzten Citadelle, dem Herzen, zurückgezogen hatten, – kehrten noch einmal zurück, – das Fell auf dem Auge hob sich für einen Moment, – er sah meinem Onkel Toby sehnsuchtsvoll in das Gesicht, warf dann einen Blick auf seinen Knaben, und dieses Bindemittel so zart es war, – wurde niemals zerrissen.
Gleich darauf ebbte die Natur wieder in ihm; – das Fell fiel wieder herab, – der Puls flatterte, – hielt an, – ging weiter, – schlug heftig, – stockte wieder, – ging – stockte nochmals. – Soll ich weiter machen? – Nein.
172. Kapitel.
Es treibt mich so sehr, zu meiner eigenen Geschichte zurückzukehren, daß das, was noch von der des jungen Le Fever erübrigt, nämlich von jener Wendung seines Schicksals bis zu der Zeit, da ihn mein Onkel Toby als meinen Hofmeister empfahl, mit einigen wenigen Worten im nächsten Kapitel gesagt werden soll. – Alles, was obigem Kapitel noch beigefügt werden muß, besteht in Folgendem:
Daß mein Onkel Toby mit dem jungen Le Fever an der Hand den armen Lieutenant als Hauptleidtragende zu Grabe geleiteten. –
Daß der Gouverneur von Dendermonde dem Leichenbegängniß alle militärischen Ehren erwies; – und daß Yorick, um nicht zurückzubleiben. – ihm alle kirchlichen erwies, – denn er beerdigte ihn unter seinem Altar. – Auch hielt er ihm nachweislich eine Leichenrede – ich sage »nachweislich« – denn Yorick hatte die Gewohnheit (die wie ich glaube in seinem Beruf sehr verbreitet ist), auf dem ersten Blatt jeder von ihm verfaßten Rede, Zeit, Ort und Gelegenheit ihrer Abhaltung zu bemerken, außerdem pflegte er eine kurze Erläuterung oder Bemerkung über die Rede selbst beizufügen, – die übrigens selten zu deren Lob lautete. – So zum Beispiel: »Dies ist die Rede über die mosaische Vertheilung der Gewässer, – sie gefällt mir durchaus nicht, – es liegt allerdings eine ganze Welt voll Wasser- und Landes-Wissen darin; – aber sie ist viel zu hausbacken und auch höchst hausbacken zusammengestellt. – Ein geistloses Machwerk. Was hatte ich nur im Kopf, als ich sie verfaßte!«
– »
NB.
Die Trefflichkeit dieses Textes besteht darin, daß er zu jeder Rede paßt; – und die Trefflichkeit dieser Rede, – daß sie zu jedem Texte paßt.«
– »Für diese Rede verdiene ich gehenkt zu werden, – denn ich habe den größten Theil derselben gestohlen.
Dr.
Paidagune hat es entdeckt. * * * Ein Dieb fängt den anderen.«
Auf dem Rücken von einem halben Dutzend Reden finde ich geschrieben: So so! – weiter nichts; – auf ein Paar anderen Moderato, woraus man nach Altieris' italienischem Wörterbuch, – noch mehr aber nach einem Stückchen grüner Schnur, offenbar einer Ausfaserung von Yorick's Peitschenschlinge, womit er die zwei mit Moderato bezeichneten Reden und die sechs mit So so! in ein Bündel zusammengebunden hatte – ziemlich sicher schließen darf, daß er von beiden ungefähr dasselbe sagen wollte.
Diese Vermuthung bietet nur eine einzige Schwierigkeit, nämlich die, daß die Moderatos fünf Mal besser sind als die So so's; – zehn Mal mehr Kenntniß des menschlichen Herzens zeigen; – siebzig Mal mehr Witz und Geist besitzen; – (und um mich passend zu steigern) tausend Mal mehr Genie verrathen, – und um der Sache die Krone aufzusetzen, unendlich unterhaltender sind als die mit ihnen zusammengebundenen. Wenn daher einmal Yoricks dramatische Reden der Welt übergeben werden, werde ich nur eine einzige von den So so's zulassen, dagegen beide Moderato's ohne das leiseste Bedenken zum Abdruck bringen.
Was Yorick mit den Wörtern
lentamente
, –
tenute
, –
grave
, und bisweilen
adagio
meinte, – als er dieselben auf theologische Schriften anwendete und damit einige jener Reden charakterisirte, vermag ich nicht zu
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