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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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ihm noch eine Postchaise, die sechs werth ist, drein gegeben. Wäre es wenigstens an Dodsley, oder an Becket, oder an irgend einen ordentlichen Buchhändler gewesen, der entweder das Geschäft aufgab und eine Postchaise brauchte, – oder der eines anfing und meine Bemerkungen brauchen konnte, und noch 2–3 Guineen dazu – so hätte ich es ertragen können; – aber an einen Wagner!
    Führe mich sogleich zu ihm, François, sagte ich.
    Der
Valet de place
setzte seinen Hut auf und ging voran; – und ich nahm meinen ab, als ich an dem Postboten vorbeiging, und folgte ihm.

239. Kapitel.
    Als wir an das Haus des Wagners kamen, war Haus und Laden geschlossen. Es war der 8. September, der Tag der Geburt der gebenedeiten Jungfrau Maria, Mutter Gottes.
    Tantarra – ra – tan – tivi
, – alle Welt ging zum Maibaum hinaus, – tanzte hier, – und sprang dort – und kümmerte sich keinen Knopf um mich und meine Bemerkungen. So setzte ich mich auf eine Bank an der Thüre und überließ mich meinen Betrachtungen. Doch ich hatte dies Mal mehr Glück als gewöhnlich; ich hatte nämlich kaum eine halbe Stunde gewartet, als die Frau vom Hause kam, um die Papilloten aus ihrem Haare zu nehmen, ehe sie zum Maibaum ging.
    Die Französinnen lieben Maibäume
à la folie
. – das heißt, ebenso leidenschaftlich wie Frühmetten. – Gebt ihnen nur einen Maibaum, mag es nun im Mai, Juni, Juli oder September sein – die Zeit ist ihnen ganz gleichgültig – so geht es dahin, – er ist ihnen Essen, Trinken, Waschen und Wohnung, – und wenn wir nur so pfiffig wären, wenn Euer Gnaden erlauben, ihnen gehörig viel Maibäume zu schicken (weil das Holz in Frankreich etwas selten ist), so – würden die Frauen sie aufrichten; und wenn sie dies gethan hätten, würden sie darum herumtanzen (und die Männer mit) bis alle blind wären.
    Die Frau des Wagners kam, wie gesagt, um die Papilloten aus ihrem Haar zu nehmen, – die Toilette steht vor Niemand still, – sie warf also die Haube ab und begann damit schon unter der Thüre; dabei fiel eine der Papilloten auf den Boden – ich sah sofort, daß es meine Handschrift war.
    O mein Gott! rief ich; Madame, Sie haben alle meine Bemerkungen auf ihrem Kopfe. –
J'en suis bien mortifiée
, sagte sie. – Es ist nur gut, dachte ich, daß sie hier hängen geblieben sind, – denn wären sie tiefer gegangen, so hätten sie eine solche Verwirrung im Kopf einer Französin anrichten können, – daß es besser für sie gewesen wäre, sie wäre bis zum jüngsten Tag ungekräuselt herumgegangen.
    Tenez
! sagte sie; und ohne die entfernteste Idee von der Natur meines Leidens, nahm sie dieselben aus ihren Locken und legte sie ernsthaft, eine um die andere in meinen Hut; die eine war so gedreht, die andere anders. – Ach du meine Güte, sagte ich, wenn sie veröffentlicht werden, –
    Dann werden sie erst recht verdreht werden.

240. Kapitel.
    Und nun zur Uhr des Lippius, sagte ich mit der Miene eines Mannes, der alle Schwierigkeiten überwunden hat, – Niemand kann uns jetzt mehr hindern, sie zu sehen, und dann die chinesische Geschichte u. s. w. – Außer die Kürze der Zeit, bemerkte François, – es ist jetzt beinahe elf Uhr. – Dann müssen wir um so mehr eilen, sagte ich und ging mit großen Schritten nach der Kathedrale.
    Ich kann wirklich nicht sagen, daß es mich sehr betrübt habe, als mir beim Eintritt in das westliche Portal einer der niederen Chorherren sagte: – die große Uhr des Lippius sei ganz aus den Fugen und seit mehreren Jahren nicht mehr gegangen. – Dadurch, dachte ich, bekomme ich um so mehr Zeit, die chinesische Geschichte zu durchblättern; und überdies werde ich in der Lage sein, der Welt eine bessere Beschreibung von dem Verfall der Uhr zu geben, als ich es von ihrem gesunden Zustande hätte thun können.
    Und so eilte ich nach dem Kollegium der Jesuiten.
    Nun ist es aber mit dem Plan, einen Blick in die Geschichte von Anna in chinesischer Schrift zu thun, – wie mit vielen andern, welche die Phantasie in der Entfernung erregen; je näher ich der Sache kam, desto kühler wurde mein Blut, – die Grille wurde immer schwächer, und zuletzt hätte ich nicht einen Kirschkern darum gegeben sie zu befriedigen. – Meine Zeit war mir auch so kurz zugemessen, und mein Herz hing ganz an dem Grab der Liebenden. – Wollte Gott, sagte ich, als ich den Thürklopfer in die Hand nahm, der Schlüssel zur Bibliothek wäre verloren gegangen. Es war beinahe so, –
    Denn alle

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