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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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aber ich floh in heiterer Laune; – er verfolgte mich zwar noch immer, – immer, – aber wie Einer, der die Hoffnung aufgegeben hat, seine Beute zu erhaschen, – und während er so langsam nachging, milderte sich sein Aussehen mit jedem Schritte. – Warum sollte ich also fortfahren, in diesem Tempo vor ihm davon zu laufen?
    Trotz der Aeußerung des Postboten änderte ich daher nochmals meine Reiseweise, und nach jenem eiligen und lärmenden Dahinjagen schmeichelte ich jetzt meiner Phantasie mit dem Gedanken an mein langsames Maulthier und daß ich jetzt die reichen Ebenen von Languedoc auf seinem Rücken so gemächlich durchwandern dürfte, als dieses einen Fuß vor den anderen setzte.
    Nichts Angenehmeres für einen Reisenden, – für einen Reisebeschreiber aber nichts Schrecklicheres als eine weite reiche Ebene, besonders wenn sie weder große Ströme noch Brücken aufzuweisen hat und dem Auge nichts bietet als ein unverändertes Bild der Fülle. Denn wenn der Reisebeschreiber einmal gesagt hat, die Ebene sei köstlich oder herrlich – der Boden dankbar, die Natur habe hier all ihr Füllhorn ausgegossen u. s. w. – dann hat er eben immer noch die weite Ebene vor sich, mit der er nichts anzufangen weiß, und die ihm zu wenig mehr nützt, als daß sie ihn nach irgend einer Stadt bringt; und diese Stadt bietet vielleicht auch wenig mehr, als daß sie eben eine neue Station ist, nach der die Ebene wieder beginnt, – und so fort.
    Das ist eine fürchterliche Arbeit. Sehen Sie zu, ob ich mit meinen Ebenen nicht besser fertig werde.

244. Kapitel.
    Ich hatte noch nicht 2½ Wegstunden zurückgelegt, als der Mann mit der Flinte bereits nach seinem Zündkraut zu sehen begann.
    Ich war nämlich schon drei Mal ganz entsetzlich dahinten geblieben; jedes Mal wenigstens ½ englische Meile, einmal in tiefem Gespräch mit einem Trommelmacher, der für die Jahrmärkte von Beaucaire und Tarasconne Trommeln machte, – ich vermochte die Grundsätze seiner Kunst nicht recht zu begreifen.
    Das zweite Mal kann ich nicht eigentlich sagen, daß ich stehen blieb, – denn ich begegnete ein Paar Franziskanern, die mehr Eile hatten als ich, und da ich das, was ich mit ihnen besprach, nicht so rasch zum Schluß bringen konnte, – ging ich ein Stückweit mit ihnen zurück.
    Das dritte Mal war's eine Handelsgeschichte mit einem Weib wegen eines Körbchens mit Provencer Feigen für vier Sous; das wäre schnell abgemacht gewesen, aber am Schluß des Handels gab es noch einen Gewissensfall. Denn als ich die Feigen bezahlt hatte, stellte es sich heraus, daß unten im Korbe mit Weinlaub bedeckt zwei Dutzend Eier lagen. Da ich nicht die Absicht hatte Eier zu kaufen, machte ich auch keinerlei Ansprüche darauf; – was aber den Raum, den sie einnahmen betraf – was wollte der sagen! ich hatte Feigen genug für mein Geld.
    Aber ich hätte gerne das Körbchen gehabt; – das Weib aber wollte es behalten, denn ohne Korb konnte sie nichts mit ihren Eiern anfangen; – und bekam ich nicht das Körbchen, so ging es mir mit meinen Feigen fast ebenso, denn sie waren bereits überreif und einige schon an der Seite aufgesprungen, dies hatte einen kurzen Streit zur Folge, wobei verschiedene Vorschläge gemacht wurden, was wir beide thun sollten.
    Ich fordere den geneigten Leser oder den Teufel, wenn er nicht ohnedem bei der Sache war (und ich bin überzeugt, er war's) heraus, sich die am wenigsten wahrscheinliche Vorstellung davon zu machen, wie wir schließlich über unsere Eier und Feigen verfügten. – Sie sollen das Ganze lesen, verehrter Leser, – aber nicht in diesem Jahre, denn es drängt mich jetzt an die Liebesgeschichte meines Onkels Toby zu kommen; – aber in der Sammlung von Erzählungen, welche aus der Reise durch jene Ebene entstanden sind, und die ich deshalb nenne: meine
    Ebenen Erzählungen .
    Ob meine Feder wie die anderer Reisenden auch auf dieser Tour durch eine so dürre Gegend ermüdet wurde, – möge die Welt beurtheilen; die Spuren derselben aber, die in diesem Augenblick jetzt alle zusammen vibriren, sagten mir, daß es die fruchtbarste, thätigste Periode meines Lebens war; denn da ich mit meinem Mann mit der Flinte keinen Vertrag in Beziehung auf die Zeit abgeschlossen hatte, – blieb ich bei Jedem, dem ich begegnete und der nicht in vollem Trab begriffen war, im Gespräch stehen, – holte die Leute vor mir ein, – wartete auf Alle die hinter mir kamen, – rief Alle an, die auf Kreuzwegen herkamen, – hielt alle

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