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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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wissen, ob er eintreten solle oder nicht.
    Nun kann ich es nicht übers Herz bringen, dieses Thier (so sehr ich auch Eile haben mag) zu schlagen; – es liegt in dem geduldigen Tragen und Leiden, das ihm so deutlich in den Blicken und dem ganzen Wesen geschrieben steht, etwas, was mächtig für dieses Thier spricht und mich stets entwaffnet; so daß ich nicht einmal unfreundlich zu ihm sprechen kann. Im Gegentheil, mag ich ihm begegnen wo ich will, – in der Stadt oder auf dem Land, – am Karren oder mit Körben belastet, – in der Freiheit oder im Joche – ich habe ihm immer etwas Liebes zu sagen. Und da ein Wort das andere gibt, so komme ich (wenn er gerade ebenso wenig zu thun hat wie ich) gewöhnlich in ein Gespräch mit ihm; und nie ist meine Phantasie so geschäftig, als wenn sie aus den Linien seiner Züge seine Antworten bildet, – oder wo diese nicht tief genug gehen – sich von meinem eigenen Herzen in seines versetzt und das zu entdecken sucht, was bei der Gelegenheit ein Esel ebenso gut denken mag wie ein Mensch. Er ist wirklich das einzige Geschöpf von allen Klassen unter mir, mit dem ich das thun kann; mit Papageien, Dohlen u. s. w. wechsele ich nie ein Wort, – auch nicht mit Affen u. s. w. und zwar so ziemlich aus demselben Grunde: sie agiren lediglich nach Routine, wie die anderen sprechen, und machen, daß ich verstumme; auch mein Hund und meine Katze, – obschon ich beide sehr schätze – (mein Hund würde wahrhaftig sprechen wenn er könnte) – besitzen dennoch, ich weiß nicht wie es kommt, aber es ist so, beide nicht das Talent der Unterhaltung. Ich kann keine andere Art von Gespräch mit ihnen anknüpfen als Anrede, Erwiderung und Duplik, wie bei den Unterredungen meines Vaters mit meiner Mutter in ihren
Lits de justice
; – sind diese gesprochen, – so hat der Dialog ein Ende.
    Mit einem Esel aber kann ich mich in Einem fort unterhalten.
    Komm, Meister Ehrlich! sprach ich – als ich sah, daß es unmöglich war zwischen ihm und dem Thor zu passiren; – willst du eigentlich herein oder hinaus?
    Der Esel drehte den Kopf und sah die Straße hinauf.
    Gut, sagte ich, wir wollen noch ein wenig warten, bis dein Treiber kommt.
    Er drehte den Kopf gedankenvoll herum, und sah ernsthaft nach der entgegengesetzten Richtung.
    Ich verstehe dich vollkommen, sagte ich; – wenn du in dieser Sache einen falschen Schritt thust, wird er dich halb zu Tode schlagen. – Nun eine Minute ist ja nur eine Minute, und wenn sie einem Mitgeschöpf Prügel erspart, ist sie nicht schlecht angewendet. Während dieses Gesprächs fraß er den Stengel einer Artischoke und hatte denselben bei dem kleinen verdrießlichen Streit der Natur zwischen Hunger und üblem Geschmack wohl ein Dutzend Mal aus dem Maul fallen lassen und wieder aufgeschnappt. – Gott steh dir bei, Jakob! sagte ich, du hast da ein bitteres Frühstück, – und wohl manche bittere Tagesarbeit, – und ich fürchte, zum Lohn manchen bitteren Hieb! – Für dich ist Alles Bitterkeit – Alles, was für Andere Leben ist! – Und in diesem Augenblick ist wohl dein Maul, wenn man dich drum fragen könnte, so bitter wie Ruß – (er hatte nämlich eben den Stengel wieder fallen lassen) und du hast vielleicht auf der ganzen Welt keinen Freund, der dir eine Makrone gäbe. – Bei diesen Worten nahm ich ein Papier mit solchen heraus, die ich eben gekauft hatte, und gab ihm eine, – und in dem Augenblick da ich dies erzähle, macht mir mein Herz Vorwürfe, daß es mir damals mehr Spaß machte einen Esel eine Makrone fressen zu sehen, als daß ich ihm aus reinem Wohlwollen eine gegeben.
    Als der Esel die Makrone gefressen hatte, drang ich in ihn eintreten; – das arme Vieh war schwer beladen, – die Beine schienen ihm unter dem Leib zu zittern, – er hing ziemlich nach rückwärts; und da ich an seinem Halfter zog, zerriß er mir in der Hand. – Er sah mir nachdenklich ins Gesicht. – Schlagen Sie mich nicht damit; – freilich wenn Sie wollen, können Sie es thun. – Wenn ich es thue, will ich des Teufels sein, sagte ich.
    Ich hatte das Wort erst zur Hälfte ausgesprochen, wie die Aebtissin von Andouillets – (es war also auch keine Sünde dabei) – als eine Person hereinstürmte, einen donnernden Hieb gegen die Kruppe des armen Teufels führte und damit der Ceremonie ein Ende machte.
    Pfui doch!
    rief ich; – aber dieser Ausruf war zweideutig und wie ich glaube, am unrechten Platze angebracht, – denn das Ende einer Weide, das aus dem

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