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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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sagte, an einem Sonntag Nachmittag.
    Der alte Mann und seine Frau waren ausgegangen.
    Im und außer dem Hause war Alles so still und leise, wie um Mitternacht.
    Kaum ein junges Entchen ließ sich im Hofe hören.
    Da kam die schöne Beguine, um nach mir zu sehen.
    Meine Wunde war bereits sehr schön in der Heilung begriffen, – die Entzündung war seit einiger Zeit weg; nun hatte ich aber über und unter dem Knie ein so unerträgliches Beißen bekommen, daß ich die ganze Nacht hindurch kein Auge davor hatte zuthun können.
    Laßt mich's einmal sehen, sagte sie, kniete neben meinem Knie auf den Boden und legte die Hand auf den Theil unter demselben. – Es braucht nur ein wenig Reiben, sagte die Beguine; sie deckte es nun mit der Decke zu und begann mit dem Zeigefinger der rechten Hand unter meinem Knie zu reiben, wobei sie den Zeigefinger am Rande des Flanells, der den Verband hielt, hin- und herbewegte.
    Nach 5–6 Minuten spürte ich auch die Spitze des zweiten Fingers – dann legte sie ihn neben den andere und fuhr auf diese Art eine gute Weile fort, rund herum zu reiben. Da fuhr es mir in den Kopf, daß ich mich verlieben könnte, – ich wurde roth, wenn ich sah, was für eine weiße Hand sie hatte. – Solange ich lebe, Euer Gnaden, sehe ich keine Hand mehr, die so weiß war.
    Wenigstens nicht an der Stelle, sagte mein Onkel Toby.
    Diese Bemerkung war zwar für den Corporal die ernsteste Verzweiflung von der Welt, – aber er konnte sich doch nicht enthalten zu lächeln.
    Als die junge Beguine merkte, daß es mir sehr wohl that, fuhr der Corporal fort, – rieb sie, nachdem sie es eine Zeitlang mit zwei Fingern gethan, – endlich mit drei, – bis sie allmählich auch noch den vierten dazu that und zuletzt mit der ganzen Hand arbeitete. Ich will kein Wort mehr über die Hand sagen, Euer Gnaden, – aber sie war weicher als Sammet.
    Lobe sie nur immer so viel du willst, Trim, sagte mein Onkel Toby, ich höre deine Geschichte mit nur um so größerem Vergnügen. – Der Corporal dankte seinem Gebieter aufrichtigst; da er aber über die Hand der Beguine nur dasselbe wieder zu sagen wußte, – ging er auf die Wirkungen derselben über.
    Die schöne Beduine, sagte der Corporal, rieb also eine Zeitlang mit ihrer ganzen Hand unterhalb meinem Knie, – bis ich ihr sagte, ich fürchte ihr Eifer werde sie ganz müde machen. – Ich würde noch tausend Mal mehr thun um Christi willen, sagte sie. – Dabei fuhr sie mit der Hand über den Flanell hinauf nach dem Theil oberhalb dem Knie, wo ich ebenfalls geklagt hatte, und rieb auch dort.
    Nun nahm ich wahr, daß ich anfing mich wirklich zu verlieben.
    Während sie so rieb und rieb und rieb, – fühlte ich, wie es unter ihrer Hand sich ausbreitete, Euer Gnaden, und mir bald über den ganzen Leib ging.
    Je mehr sie rieb und je längere Striche sie machte, desto mehr brannte es mir in allen Adern, – bis endlich nach etlichen Strichen, die weiter hinaufgingen als die übrigen, meine Leidenschaft auf den höchsten Gipfel stieg, – ich faßte ihre Hand –
    Und drücktest sie an deine Lippen, Trim, sagte mein Onkel Toby, und sprachst sie an.
    Ob die Liebe des Corporals gerade auf die von meinem Onkel Toby beschriebene Art endigte, ist nicht wesentlich; es genügt, daß sie die Essenz aller Liebesromane enthielt, welche seit Erschaffung der Welt geschrieben wurden.

267. Kapitel.
    Sobald der Corporal die Geschichte seiner Liebe beendigt hatte – oder vielmehr mein Onkel Toby für ihn, – trat Frau Wadman leise unter ihrer Laube hervor, steckte die Nadel wieder in ihre Haube, passirte das Heckenthürchen und rückte langsam gegen das Schilderhaus meines Onkels Toby vor. Der Gemütszustand, den Trim bei meinem Onkel Toby hervorgerufen hatte, war eine zu günstige Gelegenheit, als daß sie vorbeigelassen werden durfte.
    Es wurde daher der Angriff beschlossen; derselbe war dadurch noch mehr erleichtert, daß mein Onkel Toby dem Corporal befohlen hatte, die Schaufel, den Spaten, die Spitzhaue, die Pflöcke und die übrigen militärischen Geräthe, welche auf der Stelle zerstreut lagen, wo Dünkirchen gestanden hatte, weg zu schaffen. – Der Corporal war abgezogen, – das Feld war rein.
    Nun, mein verehrter Herr, erlauben Sie, daß ich Sie darauf aufmerksam mache, welch' ein Unsinn es ist, wenn man beim Fechten oder Schreiben oder irgend sonst etwas (mag es nun Gereimtes oder Ungereimtes sein), was der Mensch zu thun hat, – nach einem bestimmten Plan verfährt; denn wenn

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