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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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Moment auf ihrer eigensinnigen Grille besteht und das Leben meines Kindes, das ein Mißgeschick bereits betroffen hat, der Unwissenheit eines alten Weibes anvertrauen will! – ja nicht nur das Leben meines Kindes, Bruder, – sondern sogar ihr eigenes Leben, und damit das Leben all der Kinder, die ich möglicherweise noch hienach von ihr hätte haben können.
    Vielleicht, Bruder, versetzte mein Onkel Toby, vielleicht thut meine Schwägerin das der Unkosten wegen. – Nicht die Spur! – erwiderte mein Vater; – der Doctor muß bezahlt werden, ob er in Thätigkeit tritt oder nicht – im letzteren Fall vielleicht sogar noch mehr – um ihn bei Laune zu erhalten.
    Dann kann es aus keinem andern Grunde von der Welt sein, sagte mein Onkel Toby in der Einfalt seines Herzens, als aus Schamgefühl. – Meine Schwägerin würde es wol geniren, käme ein Mann so nahe an sie – ich will nicht bestimmt sagen, ob mein Onkel Toby hiemit seinen Satz schloß oder nicht – zu seinen Gunsten will ich annehmen, er that es – da ich glaube, daß die Beifügung auch nur eines einzigen Wortes denselben keineswegs verschönert hätte.
    Wäre andererseits mein Onkel Toby noch nicht ganz an dem Schluß seiner Periode angelangt gewesen – dann verdankt die Welt dem Umstand, daß in diesem Augenblick die Tabakspfeife meines Vaters zerbrach, eines der feinsten Beispiele jener Zierform der Rhetorik, welche die Gelehrten
Aposiopesis
heißen. – Guter Gott! wie bestimmt doch das
Poco più
– und das
Poco meno
der italienischen Künstler, – das unmerkliche Mehr oder Weniger die genaue Schönheitslinie in einem Satz wie an einer Statue! Wie gibt doch ein leichter Druck des Meißels, des Pinsels, der Feder, des Fidelbogens
et caetera
– die wahre Steigerung, welche gerade das wahre Vergnügen erzeugt! – O theure Landsleute, seid heikel – seid vorsichtig in der Wahl eurer Worte; – vergeßt nie, niemals, von welch kleinen Silben eure Beredtsamkeit und euer guter Ruf abhängt!
    Meine Schwägerin, sagte mein Onkel Toby, würde es vielleicht geniren, käme ein Mann so nahe an sie. – Setzt diesen Gedankenstrich und es ist eine
Aposiopesis
; – nehmt den Gedankenstrich weg und schreibt, – Hintertheil – so wird es eine Zote; streicht Hintertheil und setzt bedeckten Weg, so wird es eine Metapher; – und da die Befestigungskunst meinem Onkel Toby so sehr im Kopfe herumging, so darf ich wol sagen: wenn er seinem Satz noch ein Wort hätte beifügen können, so wäre es gewiß dieses Wort gewesen.
    Ob dies aber der Fall war oder nicht – oder ob jenes Zerbrechen von meines Vaters Tabakspfeife im kritischen Augenblick aus Zufall oder aus Aerger geschah, – das werden wir seiner Zeit erfahren.

32. Kapitel.
    Obschon mein Vater ein guter Naturphilosoph war, – hatte er doch auch etwas von einem Moralphilosophen. Als ihm daher seine Tabakspfeife in der Mitte abbrach – hätte er als ein Solcher die zwei Stücke ruhig nehmen und sachte ins Feuer fallen lassen müssen. – Das that er aber nicht, er schleuderte sie vielmehr mit der größten Heftigkeit hinein, – und um dieser Handlung noch mehr Nachdruck zu verleihen, – sprang er dabei mit beiden Beinen in die Höhe.
    Dies sah etwas hitzig aus; – und die Art wie er meinem Onkel Toby auf seine Aeußerung diente, bewies, daß es wirklich so war.
    – Geniren! rief mein Vater, indem er die Worte meines Onkels Toby wiederholte, wenn ein Mann ihr so nahe käme! – Beim Himmel! Bruder Toby, du könntest die Geduld eines Hiob erschöpfen; und ich habe doch wahrlich auch ohne das die Plagen eines Hiob. – Wie so? – Weshalb? – Warum? – Wegen meiner? fragte mein Onkel im höchsten Erstaunen – wenn ich höre, fuhr mein Vater fort, daß ein Mann in deinem Alter, Bruder, die Weiber noch so wenig kennt! – Ich kenne sie gar nicht, – erwiderte mein Onkel Toby, und fuhr er fort, der Stoß, den ich ein Jahr nach der Demolirung von Dünkirchen in meiner Geschichte mit der Wittwe Wadman empfing: – und den ich, wie du weißt, nicht empfangen haben würde, wenn mir nicht alle Kenntniß des Geschlechts abging – er hat mir gerechten Anlaß gegeben zu sagen, daß ich von den Weibern und ihren Angelegenheiten nichts weiß und nichts verstehe, und mir auch gar nicht annahm, etwas davon zu verstehen – Bruder, versetzte mein Vater, du hättest, dächte ich, wenigstens das rechte Ende bei einem Weib vom falschen unterscheiden können.
    In Aristoteles Meisterstück heißt es: Wenn ein Mensch

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