Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
an etwas Vergangenes denkt, – so blickte er zur Erde – denkt er aber an etwas zukünftiges, so blickt er zum Himmel empor.
Mein Onkel Toby dachte, scheint's an Keins von Beiden, denn er sah gerade aus. – Das rechte Ende! murmelte mein Onkel Toby vor sich hin und heftete dabei seine Blicke unwillkürlich auf eine kleine Spalte, die durch eine lose Fuge am Kamingesimse entstanden war – das rechte Ende von einem Weib! – ich muß gestehen, sagte mein Onkel, ich weiß so wenig was das sein soll als der Mann im Mond; – und wenn ich mich vier Wochen lang besänne, fuhr mein Onkel Toby fort, wobei er die lose Fuge nicht aus den Augen ließ, ich würde es nicht herausfinden.
Dann will ich dir's sagen, Bruder Toby, erwiderte mein Vater.
Alles auf der Welt, begann mein Vater, und stopfte eine frische Pfeife – Alles auf der Welt, lieber Bruder Toby, hat zwei Enden. – Nicht immer, meinte mein Onkel Toby. – Wenigstens zwei Seiten, versetzte mein Vater, – was auf Eins herauskommt. – Wenn sich nun ein Mann in Ruhe hinsetzt, und bei sich das Machwerk, die Gestalt, die Zusammensetzung, Erreichbarkeit und Zweckdienlichkeit der Theile in Betracht zieht, welche zusammen das animalische Wesen bilden, welches wir Weib nennen, und sie einem analogen Vergleiche unterzieht – den Sinn dieses Wortes habe ich nie recht verstanden, sagte mein Onkel Toby.
Analogie, erklärte mein Vater – bedeutet die Beziehung und Uebereinstimmung von verschiedenen – hier brach ein verwünschtes Pochen an die Thüre, meines Vaters Erklärung entzwei (wie vorhin seine Tabakspfeife) – und schlug damit der bedeutendsten und interessantesten Besprechung, die je aus dem Schooße der Speculation hervorging, den Kopf ein; – es dauerte einige Monate bis mein Vater eine Gelegenheit erwischte, wo er sie in Ruhe loslassen konnte; – und zu dieser Stunde ist es noch so problematisch wie der Gegenstand der Besprechung selbst, – ob ich (in Anbetracht der Verwirrung und Ungelegenheiten unsers häuslichen Mißgeschicks, die einander nun dicht auf den Fersen folgen) im Stande sein werde, im dritten Band einen Platz dafür zu finden oder nicht.
33. Kapitel.
Es ist jetzt etwa anderthalb Stunden ordentlichen, fertigen Lesens her, seit mein Onkel Toby schellte und Obadiah die Weisung erhielt, ein Pferd zu satteln und den Geburtshelfer
Dr.
Slop zu holen; – so daß Niemand ein Recht hat zu sagen, ich habe Obadiah nicht – in poetischem Sinne und in Anbetracht der Dringlichkeit der Sache – Zeit genug gegeben, um hin und zurückzukommen; – wenn auch in moralischem Sinne und der Wirklichkeit gemäß, der Mann vielleicht kaum so viel Zeit gehabt hätte, um in seine Stiefeln zu kommen.
Wenn ein Hyperkritikus der Sache strenger auf den Leib gehen, etwa eine Pendeluhr zur Hand nehmen und die wirkliche Zeitentfernung zwischen dem Läuten der Glocke und dem Pochen an die Thüre ausmessen wollte; und wenn er dann fände, daß sie nicht mehr als 2 Minuten und 13 3 / 5 Sekunden betrage – und mir dann wegen dieses Bruches der Einheit oder vielmehr dieser Sünde gegen die Zeitwahrscheinlichkeit den Kopf waschen wollte, – so würde ich ihn daran erinnern, daß der Begriff der Dauer und ihrer einfachen Modalitäten von dem Gange und der Folge unserer Gedanken abhängt – und daß diese das einzig richtige scholastische Pendel ist – nach welchem ich als Scholastiker in dieser Angelegenheit beurtheilt werden darf, – und daß ich die Herrschaft eines jeden anderen Pendels abweise, abschwöre und verabscheue.
Ich möchte ihn daher ersuchen in Betracht zu ziehen, daß es nur elende 8 Meilen von Shandy Hall bis zum Hause des Geburtshelfers
Dr.
Slop ist, – und daß während Obadiah diese Meilen hin und her zurücklegte, ich meinen Onkel Toby von Namur durch ganz Flandern bis England brachte: – daß ich ihn dort beinahe 4 Jahre krank hatte – und ihn nachher mit Corporal Trim in einem Vierspänner nahezu zweihundert Meilen weit nach Yorkshire hinunter reisen ließ; – was Alles zusammen die Einbildungskraft des Lesers genügend auf das Erscheinen des
Dr.
Slop auf der Bühne hätte vorbereiten können – wenigstens ebensogut (hoffe ich) als ein Tanz, ein Gesang oder ein Concert im Zwischenact.
Läßt aber mein Hyperkritikus nicht mit sich reden, und behauptet, 2 Minuten und 13 Secunden seien eben doch nicht mehr als 2 Minuten und 13 Secunden – trotz Allem was ich darüber gesagt habe; und meine Vertheidigung, möge sie mich auch
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