Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
sagte mein Vater, hast du die Predigt so gut gelesen, wie du gethan hast, und wenn unsere Geistlichen, fuhr mein Vater fort, indem er sich dabei gegen
Dr.
Slop wendete, das was sie uns sagen, ebenso ernst nehmen würden, wie dieser arme Bursche gethan hat, – so würde, da ihre Ausarbeitungen gut sind – (das bestreite ich, sagte
Dr.
Slop) – und ich halte es aufrecht – so würde unsere Kanzelberedtsamkeit bei so zündenden Stoffen ein Muster für die ganze Welt sein; – aber ach! fuhr mein Vater fort, ich muß mit Schmerz zugeben, es geht ihnen wie den französischen Staatsmännern, sie verlieren im Feld, was sie im Kabinet gewonnen. – Es ist wirklich Schade, bemerkte mein Onkel, daß das verloren gehen soll. – Die Predigt hat mir sehr gut gefallen, fuhr mein Vater fort, – sie ist dramatisch gehalten – und in dieser Schreibweise liegt, wenn sie nur geschickt gehandhabt wird, etwas, was die Aufmerksamkeit fesselt. – Bei uns, sagte
Dr.
Slop, wird häufig in dieser Weise gepredigt. – Das weiß ich recht wohl, sagte mein Vater, aber in einem Tone und in einer Art, die
Dr.
Slop ebenso sehr mißfiel, als ihm dessen einfache Zustimmung gefallen haben würde. – Darin aber, setzte
Dr.
Slop etwas spitzig hinzu, sind unsere Predigten sehr im Vortheil, daß bei uns niemals Charaktere auftreten die unter der Stufe eines Patriarchen, des Weibes eines Patriarchen, eines Märtyrers oder Heiligen sind. – In dieser Predigt sind allerdings einige sehr schlechte Charaktere aufgeführt worden, sagte mein Vater, aber ich halte sie deshalb nicht im mindesten für schlechter. – Aber, fragte mein Onkel Toby, von wem kann diese Predigt sein? – Wie ist sie in meinen Stevenius hineingekommen? – Um die zweite Frage zu entscheiden, sagte mein Vater, müßte man ein so großer Hexenmeister wie Stevenius sein. Die erste aber, glaube ich, beantwortet sich leichter; – denn wenn mich mein Urtheil nicht sehr trügt, – kenne ich den Verfasser; es ist ganz gewiß von unserem Pfarrer geschrieben.
Was meinen Vater zu dieser Vermuthung führte, war die Ähnlichkeit, die diese Predigt im Stil und der ganzen Art mit denjenigen hatte, welche mein Vater beständig in seiner Dorfkirche zu hören bekam – dieses
Argumentum à priori
bewies seinem philosophischen Geiste so scharf als es nur möglich war, daß Niemand anders als Yorick jene geschrieben haben könne – das wurde am andern Tag aber auch
à posteriori
bewiesen, denn da schickte Yorick einen Diener zu meinem Onkel Toby und ließ darnach fragen.
Es stellte sich heraus, daß Yorick, der sich mit allen möglichen Wissenschaften beschäftigte, den Stevenius von meinem Onkel Toby entlehnt und seine Predigt, unmittelbar nach dem er damit fertig war, in Gedanken in den Stevenius gesteckt hatte. Da er sehr vergeßlich war, hatte er dann den Stevenius zurückgeschickt und die Predigt darin gelassen.
Unglückselige Predigt! Nachdem man dich so wieder gefunden, wardst du ein zweites Mal verloren, spieltest dich durch ein nicht geahntes Loch in deines Herrn Tasche in ein verrätherisches und zerrissenes Rockfutter – wurdest dann durch den linken Hinterfuß seines Rosinante, der, als du hinabfielst, unbarmherzig auf dich trat, in den Koth gestampft, – lagst zehen Tage im Straßenmorast – wurdest durch einen Bettler herausgezogen, – für einen Halben Pfennig an einen Küster verkauft – von diesem seinem Pfarrer gebracht – gingst so deinem rechtmäßigen Eigentümer für immer verloren – und wardst seinen ruhelosen Manen erst in dem Augenblick zurückgegeben, als ich der Welt diese Geschichte erzählte.
Sollte es der Leser für möglich halten, daß diese Predigt Yoricks vor tausend Zeugen, die es beschwören können, in der Kathedrale von York durch einen Würdenträger dieser Kirche gehalten und nachher von demselben publicirt wurde? und zwar nur 2 Jahre und 3 Monate nach Yorick's Tode? – Yorick ist allerdings in seinem ganzen Leben nicht besser behandelt worden – aber es war doch ein wenig hart ihn so zu mißhandeln und auszuplündern, da er bereits im Grabe lag.
Da jedoch der Herr, der dies that, Yorick sehr wohl wollte, – und im Bewußtsein seiner That nur einige wenige Exemplare davon zum Vertheilen drucken ließ – er auch, wie man mir sagt, eine ebensogute Predigt hätte machen können, wenn er es für passend gefunden hätte, – so muß ich erklären, daß ich diese Anekdote nicht veröffentlicht haben würde – (ich veröffentliche
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