Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
beide zu zerbrechen und zu zerstören.«
Ich sagte, man habe es oft versucht, und so ist es auch: – es ist nichts Ungewöhnliches einen Mann zu finden. der durchaus keinen Sinn für Religion hat und auch wirklich so ehrlich ist, keinen Anspruch darauf zu machen, der es aber für die tödtlichste Beleidigung ansehen würde, wenn man seinen moralischen Charakter auch nur mit einem Verdacht antasten – oder denken wollte, er sei nicht im höchsten Grade gewissenhaft und rechtschaffen.
Wenn es wirklich den Anschein hat, als ob es so sei – obwol man nicht gerne das Vorhandensein einer so liebenswürdigen Tugend wie sittliche Rechtschaffenheit ist, in einem solchen Falle annimmt, so würden wir, das bin ich überzeugt, wenn wir ihren Gründen nachforschen wollten, doch wenig Ursache haben, einen solchen Mann um die Ehre seiner Beweggründe zu beneiden.
Wenn er auch noch so großartig über die Sache spricht, so wird man doch leicht wahrnehmen, daß die Grundlagen seiner Handlungen aus Interesse, Stolz, Bequemlichkeit oder irgend einer anderen kleinen veränderlichen Leidenschaft bestehen, die uns keine große Bürgschaft dafür gewährt, daß seine Handlungen auch in schweren Nöthen Farbe halten werden.
Ich will dies durch ein Beispiel erläutern.
Ich weiß, daß der Bankier, mit dem ich Geschäfte mache, oder der Arzt, den ich für gewöhnlich berufe – (Sie brauchen für den heutigen Fall keinen weiteren Arzt zu berufen, sagte
Dr.
Slop, der eben aufwachte) – beide nicht viel Religion haben – ich höre, wie sie sich täglich darüber lustig machen und alle heilige Handlungen so spöttisch behandeln, daß hierüber kein Zweifel sein kann. Nun gut – trotzdem vertraue ich dem Einen mein Vermögen an, – und was mir noch theurer ist, mein Leben der treuen Geschicklichkeit des Andern.
Prüfen wir nun, weshalb ich ein so großes Vertrauen habe. In erster Linie ist es nicht wahrscheinlich, daß der Eine oder der Andere die Macht, die ich in seine Hände lege, zu meinem Nachtheil mißbrauchen werde – ich ziehe dabei in Betracht, daß Redlichkeit überhaupt den irdischen Zwecken diene. Ich weiß, daß das Gedeihen jener Herren wesentlich auf der Gediegenheit ihres Charakters beruht. Mit einem Wort, ich bin überzeugt, daß sie mir nicht schaden können, ohne sich selbst noch mehr zu schaden.
Nehmen wir nun aber das Gegentheil an, nämlich daß das Interesse einmal ganz auf der anderen Seite liege, daß ein Fall eintreten könne, wo der Eine, ohne daß sein Ruf befleckt würde, mich um mein Vermögen bringen, mich völlig ausziehen könne; – oder wo der Andere mich aus der Welt schaffen und durch meinen Tod ohne Schädigung seiner selbst oder seiner Kunst sich bereichern könne; – woran kann ich mich in einem solchen Falle halten? – Die Religion, der stärkste aller Beweggründe, bleibt aus dem Spiel, – das Interesse, der mächtigste Hebel dieser Welt, ist ganz gegen mich. – Was kann ich noch in die andere Wagschale werfen, um diese Versuchung im Gleichgewicht zu halten? – Ach es bleibt mir nichts – nichts oder etwas was leichter ist als eine Seifenblase – ich muß mich auf das Ehrgefühl oder sonst eine launenhafte Empfindung verlassen – eine saubere Sicherheit für zwei der wertvollsten Güter – mein Vermögen und mein Leben.
Da somit auf Sittlichkeit ohne Religiosität kein Verlaß ist; – so ist andererseits auch von Religiosität ohne Sittlichkeit nichts Besseres zu erhoffen; gleichwol ist es nichts so Seltenes, daß man einen Mann sieht, dessen moralischer Charakter einen sehr niedern Standpunkt einnimmt und der doch in Sachen der Religiosität einen sehr hohen Begriff von sich hat.
Er ist vielleicht nicht nur habsüchtig, rachsüchtig, unversöhnlich, – sondern es fehlt ihm sogar an der ganz gewöhnlichen Rechtschaffenheit; aber wenn er nur recht laut gegen den Unglauben der Zeit declamirt, – in gewissen religiösen Dingen Eifer an den Tag legt, – täglich zwei Mal in die Kirche geht, – den Sacramenten anwohnt, – und sich mit einigen nebensächlichen Theilen der Religion abgibt, – so wird er sein Gewissen leicht in die Ansicht hineinhetzen, daß er ein wirklich religiöser Mensch sei und seine Pflicht gegen Gott in Wahrheit erfüllt habe, und man wird finden, daß ein solcher Mann kraft dieser Selbsttäuschung mit einem gewissen geistlichen Hochmuth auf alle anderen herabsieht, die weniger Frömmigkeit heucheln – wenn sie vielleicht auch zehen Mal rechtschaffener
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