Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
ausgestreckt ist – welche ausgesuchte Qualen er dadurch leidet! (Ich hoffe nur, daß hier nicht von Portugal die Rede ist.) – Es ist das Aeußerste was die Natur ertragen kann! Guter Gott! Seht, wie ihm die müde Seele an den zitternden Lippen hängt! (Ich möchte keine Zeile weiter lesen, sagte Trim, nicht um Alles in der Welt! – Ich fürchte, Euer Gnaden, das Alles handelt von Portugal, wo sich mein armer Bruder Tom befindet. – Ich sage dir aber ja, Trim, sagte mein Vater, daß es keine geschichtliche Erzählung ist – es ist nur eine Beschreibung. – Es ist nur eine Beschreibung, ehrlicher Mann, sagte Slop, es ist kein wahres Wort daran. – Das ist wieder eine andere Frage, versetzte mein Vater. – Da das Lesen Trim aber so angreift, so wäre es grausam, wenn wir ihn nöthigen wollten, es bis zu Ende zu lesen. – Gib mir einmal die Predigt, Trim. – Ich will sie für dich zu Ende lesen und du kannst gehen. – Nein, ich möchte bleiben und es mit anhören, erwiderte Trim, wenn Euer Gnaden es erlauben – aber selbst möchte ich nicht weiter lesen, nicht um einen Oberstengehalt. – Armer Trim! sagte mein Onkel Toby. – Mein Vater fuhr fort:)
Seht in welch' gezwungener Lage er jetzt ausgestreckt ist – welche ausgesuchte Qualen er dadurch erleidet – es ist das Aeußerste was die Natur ertragen kann. Guter Gott! seht, wie ihm die müde Seele an den zitternden Lippen hängt – sie will dahin fahren – aber man läßt sie nicht fort! – Jetzt wird der Unglückliche in seinen Kerker zurückgeschleppt (Gott sei Dank! sagte Trim, so haben sie ihn doch wenigstens nicht umgebracht) – jetzt wird er von Neuem herausgerissen, um den Flammen und in seinem letzten Todeskampf noch den Schmähungen preis gegeben zu werden, welche dieses Princip – dieses Princip, daß es eine Religion auch ohne Barmherzigkeit geben könne, für ihn aufgespart hat – (Nun Gott Lob, jetzt ist er todt, sagte Trim – er ist seiner Pein ledig – sie haben ihr Schlimmstes an ihm gethan. – O ihr Herren! – Ruhig, Trim, sagte mein Vater und fuhr in seiner Rede fort, damit Trim den
Dr.
Slop nicht aufbringen sollte – auf diese Art werden wir heute nicht mehr fertig.)
Der sicherste Weg, um den wahren Werth einer bestrittenen Ansicht kennen zu lernen, ist, wenn man allen Consequenzen nachgeht, welche dieselbe hervorgebracht hat, und sie mit dem Geiste des Christentums vergleicht – es ist dies die kurze und bestimmte Regel, welche unser Erlöser uns für diese und ähnliche Fälle hinterlassen hat und die tausend Beweise werth ist: – »an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.«
Ich will dieser langen Predigt nur noch zwei bis drei kurze und von einander unabhängige Sätze beifügen, die sich daraus ableiten lassen.
Erstens, wenn ein Mann sich laut gegen die Religion ausspricht, so darf man immer annehmen, daß es nicht seine Vernunft, sondern seine Leidenschaft ist, die über seinen Glauben Herr geworden ist. Ein schlechtes Leben und ein guter Glauben sind unangenehme, unruhige Nachbarn, und wo sie sich von einander trennen, da darf man darauf zählen, daß es aus keinem anderen Grunde geschieht, als um Ruhe vor einander zu haben.
Zweitens, wenn ein solcher Mann auch in irgend einem Falle sagt, daß etwas gegen sein Gewissen gehe – so darf man versichert sein, daß er damit genau dasselbe meint als wenn er gesagt hätte, es gehe etwas gegen seinen Magen, ein augenblicklicher Mangel an Appetit ist einzig und allein die Ursache von Beiden.
Mit einem Wort – trauet einem Manne in keiner Sache, der nicht in jeder gewissenhaft ist.
Und für euch selbst erinnert euch an diesen klaren Unterschied, dessen Mißverstehen Tausende zu Grunde gerichtet hat, – daß euer Gewissen kein Gesetz ist. – Nein, das Gesetz wird von Gott und der Vernunft gemacht, sie haben das Gewissen in euch gesetzt, um zu entscheiden – nicht wie ein asiatischer Cadi je nach der Ebbe und Flut seiner eigenen Leidenschaft – sondern wie ein englischer Richter in diesem Land der Freiheit und des gesunden Menschenverstandes, der kein neues Gesetz macht, sondern getreu das Gesetz auslegt, das bereits geschrieben ist.
Ende.
Du hast die Predigt vortrefflich vorgelesen, Trim, sagte mein Vater. – Wenn er uns seine Glossen erspart hätte, bemerkte
Dr.
Slop, hätte er sie noch um Vieles besser gelesen. – Ich hätte sie zehen Mal besser gelesen, Herr, erwiderte Trim, wenn mein Herz nicht so voll gewesen wäre. – Gerade deshalb, Trim,
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