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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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Folgerungsgaben von der Welt besitzt – und zugleich ein Weib mit einem solchen Stück von einem Kopf hat, daß er auch nicht eine einzige Folgerung hineinbringen kann, um seine Seele vom Verderben zu retten!
    Dieser Beweisgrund, der an meiner Mutter völlig verloren ging – hatte aber für ihn mehr Werth als alle anderen Gründe zusammen: Ich will daher versuchen ihm hier sein Recht widerfahren zu lassen und ihn mit all dem Scharfsinn dessen ich fähig bin, auseinander zu setzen.
    Mein Vater stützte sich auf folgende zwei Grundsätze:
    Erstens, eine Unze eigenen Verstandes sei mehr werth als eine Tonne fremden; und
    Zweitens (beiläufig war dies das Fundament des ersten Satzes, obschon es hinten drein kommt), eines jeden Menschen Verstand müsse aus seiner eigenen Seele hervorgehen, nicht aus anderer Leute ihrer.
    Da es nun für meinen Vater eine ausgemachte Sache war, daß alle Seelenkräfte von Hause aus einander gleich seien – und daß der große Unterschied zwischen dem schärfsten und stumpfesten Verstand – nicht von der ursprünglichen Schärfe oder Stumpfheit herrühre, die ein denkendes Wesen mehr oder weniger als ein anderes habe – sondern von der glücklichen oder unglücklichen Organisation des Körpers an derjenigen Stelle herrühre, wo die Seele hauptsächlich ihre Wohnung aufgeschlagen habe – so hatte er es zum Gegenstand seiner Forschung gemacht, eben diese Stelle herauszufinden.
    Auf Grund der besten Darstellungen, die er sich über diese Sache zu verschaffen gewußt hatte, war er nun zu der Ueberzeugung gelangt, daß jene Stelle sich nicht da befinde, wo
Des Cartes
sie hinverlegt hat, nämlich auf der Spitze der Zirbeldrüse im Gehirn, die wie jener Philosoph behauptet hatte, ein Kissen von der Größe einer englischen Erbse für jene bilde; obschon dies eigentlich keine so üble Annahme war, indem so viele Nerven dort ihren Ausgangspunkt haben; und ohne Zweifel wäre auch mein Vater mit jenem großen Philosophen mitten in diesen Irrthum gefallen, wenn mein Onkel Toby nicht gewesen wäre. Dieser aber befreite ihn hievon, indem er ihm die Geschichte von einem wallonischen Offizier erzählte, dem in der Schlacht bei Landen durch eine Flintenkugel ein Theil des Gehirns weggeschossen und ein weiterer Theil nachher durch einen französischen Wundarzt herausgenommen worden war, und der trotz allem wieder genesen war und seinen Dienst wie vorher versehen hatte.
    Wenn der Tod, sagte sich mein Vater in seinem Selbstraisonnement, nichts weiter ist als die Trennung der Seele von dem Körper – und wenn es wahr ist, daß Leute auch ohne Gehirn herumgehen und ihre Geschäfte besorgen können – so kann die Seele dort ihren Wohnsitz nicht haben.
Quod erat demonstrandum
!
    Was nun aber jenen sehr dünnen, feinen und sehr wohlriechenden Saft betrifft, den der große Mailänder Arzt Coglionissimo Borri in einem Brief an Bartholinus in den Zellen des am Hinterhaupte liegenden Gehirntheils gefunden zu haben behauptet, und den er ebenfalls für den Hauptsitz der vernünftigen Seele ausgibt (denn der Leser muß wissen, daß es seit dieser letzten, aufgeklärteren Zeiten zwei Seelen gibt, die im Menschen leben, – und wovon die Eine nach dem großen Metheglingius
Animus
, die Andere
Anima
heißt), was also die Borri'sche Ansicht anbelangt, – so konnte sich mein Vater derselben niemals anschließen; der Gedanke, daß ein so edles, verfeinertes, stoffloses und erhabenes Ding wie die
Anima
oder auch der
Animus
, wie ein Kaulfrosch den ganzen Tag lang Sommer und Winter in einer Pfütze – oder eben in irgend einer Flüssigkeit, ob sie nun so dick oder so dünn sein mochte, wie man wollte, leben und plätschern sollte, das pflegte er zu sagen, sei doch seiner Phantasie zu viel zugemuthet; er könne dieser Lehre kaum ein Ohr leihen.
    Am wenigsten bestreitbar erschien ihm daher der Gedanke, daß das Obersensorium oder Hauptquartier der Seele, der Ort, bei welchem alle Rapporte einliefen, und von wo aus alle Befehle ergingen, sich in oder in der Nähe des
Cerebellum
oder vielmehr um die
Medulla oblongata
herum sitze, wo sich auch nach der allgemeinen Ansicht holländischer Anatomen alle die winzigen Nerven sämmtlicher Organe der sieben Sinne wie die Straßen und Gassen einer Stadt auf einem Marktplatze zusammenfände.
    Bis hierher war nichts besonderes in meines Vaters Ansicht – die besten Philosophen aller Zeiten und Länder gingen mit ihm. – Von hier an aber schlug er seinen eigenen Weg ein, und baute auf

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