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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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die Ecksteine, die jene vor ihm gesetzt hatten, eine neue Shandy'sche Hypothese – und welche besagte Hypothese gleichfalls ihren guten Grund hatte. Er fragte nämlich: ob die Zartheit und Feinheit der Seele von dem Wärmegrad oder der Helligkeit der besagten Flüssigkeit oder aber von dem feineren Netz und Gewebe im
Cerebellum
selbst abhänge? Letztere Ansicht war die seinige.
    Er behauptete, daß nächst der pflichtschuldigen Umsicht, die man beim Zeugungsacte selbst haben müsse, der die größte mögliche Sorgfalt erfordere, da hierdurch der Grund zu jenem unfaßbaren Gewebe gelegt werde, auf welchem Verstand, Gedächtniß, Phantasie, Beredsamkeit und was man gewöhnlich unter guten natürlichen Anlagen versteht, beruhe, – daß also nächst dieser Umsicht und dem Vornamen, was die zwei ersten und hauptsächlichsten Ursachen von allem anderen seien; – die dritte Ursache oder vielmehr wie die Logiker sagen, die
Causa sine quâ non
, da ohne sie alles was sonst geschehen. ohne jede Bedeutung wäre, – in der guten Behütung jenes zarten und feingesponnenen Gewebes vor der Beschädigung bestehe, welche dasselbe durch das gewaltsame Zusammendrücken und Quetschen erleide, das der Kopf deshalb durchzumachen habe, weil man der unsinnigen Methode huldige, uns mit diesem voraus zur Welt zu befördern.
    – Es erfordert dies eine nähere Erklärung.
    Mein Vater, dem alle Arten von Büchern durch die Hand gingen, hatte, als er in den von Adrianus Smelvogt herausgegeben
Lithopädus Senonesis de Partu difficili
[Der Verfasser begeht hier einen doppelten Irrthum, denn statt
Lithopädus
sollte es erstens heißen:
Lithopädii Senonensis Icon
; zweitens ist
Lithopädus
kein Schriftsteller, sondern die Zeichnung von einem versteinerten Kinde. Der von Athosius um 1580 hierüber veröffentlichte Bericht steht am Schluß von Cordäus Werken im Spachius. Herr Tristram Shandy wurde zu diesem Irrthum verleitet, entweder weil er den Namen
Lithopädus
kürzlich in einem Katalog gelehrter Schriftsteller, den
Dr.
 — herausgegeben, fand, oder weil er bei der großen Aehnlichkeit der Namen
Lithopädus
mit
Trinecavellius
verwechselte.] ) guckte, herausgefunden, daß, da die Knochen des Cranium bei der Geburt noch keine Nähte haben, der Kopf eines Kindes sich in einem so weichen und dehnbaren Zustande befinde – daß in Folge der gewaltsamen Anstrengungen, welche bei schweren Nöthen im Durchschnitt einem Gewicht von 470 Pfund Krämergewicht gleichkommen, die senkrecht darauf wirken – es geschähe, daß in 49 Fällen unter 50 der besagte Kopf zu der Figur eines länglichen kegelförmigen Stückes Teig zusammengedrückt und geformt werde, wie ihn der Pastetenbäcker in der Regel rollt, wenn er eine Pastete machen will. – Guter Gott! rief mein Vater, wie muß hierdurch das unendlich feine und zarte Gewebe des
Cerebellum
beschädigt, ruinirt werden! – Oder wenn es einen solchen Saft gibt, wie Borri behauptet, muß dabei nicht die klarste Flüssigkeit der Welt trüb und dick werden?
    Wie groß aber wurde erst seine Befürchtung als er weiter hörte, daß diese gerade auf den Kopfwirbel wirkende Kraft nicht nur das Gehirn selbst, das
Cerebrum
, beschädige – sondern auch nothwendig das
Cerebrum
gegen das
Cerebellum
oder den unmittelbaren Sitz der Verstandeskräfte hindrücke und treibe! – O all ihr Engel und Diener der göttlichen Barmherzigkeit, schützt uns davor! rief mein Vater, – kann eine Menschenseele einem solchen Stoß widerstehen? – Da ist es kein Wunder, daß das Verstandsgewebe so zerrissen und zerfetzt ist, wie wir täglich sehen, und daß so viele unserer besten Köpfe innen nicht viel besser aussehen wie ein verwirrter Strang Seide – eitel untereinander und Confusion!
    Als mein Vater aber weiter las und mit dem Geheimniß bekannt wurde, daß wenn ein Kind umgewendet werde, was für einen Geburtshelfer eine leichte Sache sei, so daß es dann bei den Füßen herausbefördert werden könne – dann nicht das
Cerebrum
gegen das
Cerebellum
hingetrieben werde, sondern umgekehrt, das
Cerebellum
gegen das
Cerebrum
, wodurch keinerlei Beschädigung eintreten könne, – da rief er aus: Bei Gott! die Welt hat sich ja förmlich verschworen, das Bißchen Verstand, das uns Gott gegeben hat, auszutreiben – und die Professoren der Geburtshilfe stecken mit im Complot. – Was macht das mir, ob mein Sohn mit diesem oder jenem Ende zuerst auf die Welt kommt, wenn nur Alles gut dabei abläuft und sein
Cerebellum
nicht

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