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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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einer für das Herz gemalten Geschichte – statt sie mit dem Quadranten zu messen!
    Im Vordergrund dieses Gemäldes ein Staatsmann, der das politische Rad wie ein unvernünftiges Thier falsch herumdreht – nämlich gegen den Strom der Verderbniß – beim Himmel! – statt mit ihm!
    In dieser Ecke ein Sohn des göttlichen Aesculap, der ein Buch gegen die Vorausbestimmung schreibt; vielleicht noch schlimmer – der den Puls seines Patienten fühlt, statt den seines Apothekers; – ein Bruder der Facultät im Hintergrund auf seinen Knieen und in Thränen – der die Decke von einem verstümmelten Opfer wegzieht und es um Verzeihung bittet; – eine Entschädigung anbietet, statt eine zu fordern.
    In jener weiten Halle eine Versammlung von Rechtsgelehrten von allen Gerichtshöfen, die eine verfluchte, schmutzige, ärgerliche Sache mit aller Macht auf dem falschen Wege betreiben – indem sie sie aus dem großen Thor hinauswerfen, statt hereinreißen! – und zwar mit einer solchen Wuth in den Blicken und einem solchen Grad von Hartnäckigkeit im Hinauswerfen, als ob die Gesetze eigentlich zur Herstellung des Friedens und der Erhaltung der Menschheit gemacht wären: – vielleicht daß sie sogar einen noch gewaltigeren Mißgriff begehen – einen streitigen Punkt ehrlich abmachen: – zum Beispiel die Frage, ob John o' Nokes' Nase ohne Eigentumsverletzung in Tom o' Stiles Gesicht stehen könne – rasch in 25 Minuten entscheiden, was, wenn man die vorsichtigen Pro's und Contra's, die ein so verwickelter Fall erfordert, angewendet hätte, ebensoviel Monate in Anspruch genommen; – und auf das militärische Gebiet übergeführt (wie bekanntlich mit jeder Action geschehen sollte), und mit all den dabei anwendbaren Kriegskünsten versehen – nämlich Scheinangriffen – forcirten Märschen – Ueberfällen – Hinterhalten, maskirten Batterien und tausend andern Streichen der Taktik, die darin bestehen, daß beide Parteien alle Vortheile für sich zu erhaschen suchen – möglicherweise ebensoviel Jahre gedauert, und einem Centumvirat vom Handwerk ebenso lange Futter und Kleidung gegeben haben würde.
    Was aber die Geistlichkeit anbelangt – Nein! – Wenn ich ein Wort gegen sie sage, soll man mich todt schießen. – Ich möchte nicht daran rühren; und wenn ich auch möchte – so würde ich mir's ums Leben nicht getrauen. Bei meinen schwachen Nerven und schwachem Kopf, und in der Lage, in der ich mich gegenwärtig befinde, hieße es wirklich fast das Leben riskiren, wenn ich mich durch eine so schlimme, traurige Schilderung vollends ganz herunterbringen und niederdrücken wollte; – es ist daher sicherer für mich, wenn ich einen Vorhang darüber fallen lasse, und so schnell als es mir möglich ist, zu dem Hauptpunkt übergehe, den ich aufzuklären unternommen habe; – und das ist die Frage: wie es komme, daß Leute von möglichst wenig Witz für solche von außerordentlich viel Verstand ausgegeben werden? – Doch merken Sie wohl! – ich sage, ausgegeben werden – denn, mein lieber Leser, es ist wirklich nicht mehr als eine Behauptung, die wie noch zwanzig andere, welche man täglich auf Treu und Glauben annimmt, eben nur eine niederträchtige und noch dazu boshafte Behauptung ist.
    Mittelst der bereits vorangeschickten und wie ich hoffe von dem geneigten Leser gehörig abgewogenen und erwogenen Beobachtung werde ich dies sofort darthun.
    Ich hasse die regelmäßigen Dissertationen; – und vor allem ist es eines der einfältigsten Dinge, wenn man seine Hypothese dadurch erschwert, daß man eine Anzahl großer, dunkler Worte eins vor das andere in gerader Linie zwischen das eigene Begriffsvermögen und das des Lesers stellt, – während wenn man sich recht umgesehen hätte, man höchst wahrscheinlich irgend etwas hätte herumstehen oder hängen sehen, was den betreffenden Punkt sofort aufgeklärt hätte; – denn welches Hinderniß, welchen Schaden oder Nachtheil bringt einem Menschen denn der löbliche Durst nach Wissen, ob er nun von einem Tropf oder Topf, einem Schöps oder Stuhl, einem Pelzhandschuh, einem Flaschenzug, dem Deckel eines Schmelztiegels, einer Oelflasche, einem alten Pantoffel oder einem Rohrstuhl ausgeht? – Ich sitze nämlich gerade auf einem. Wollen Sie mir erlauben, diese Frage von Witz und Verstand an den zwei Knöpfen seiner Rücklehne zu erläutern? Diese sind, wie Sie sehen, mittelst zweier Zapfen befestigt, welche leicht in zwei Zapfenlöcher eingelassen sind, und sollen was ich

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