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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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zu sagen habe in ein so helles Licht stellen, daß Sie den Sinn und die Meinung meiner ganzen Vorrede so leicht durchschauen, als ob jeder Punkt und einzelne Theil derselben aus Sonnenstrahlen bestünde.
    Ich gehe jetzt schnurstracks auf die Sache selbst ein.
    Hier steht der Witz – und da steht der Verstand, hart nebeneinander, gerade wie die zwei besagten Knöpfe auf der Rücklehne des Stuhls, auf dem ich sitze, Sie sehen, es sind die höchsten und zierlichsten Theile des Gestells – wie es Witz und Verstand von dem unsrigen sind – und wie diese sind auch jene beiden ganz unzweifelhaft gemacht und zusammengepaßt, um wie wir in solchen Fällen einer doppelten Verzierung zu sagen pflegen – einander gegenseitig zu heben.
    Des Versuchs halber und zur deutlicheren Erklärung der Sache – wollen wir nun für einen Augenblick die eine dieser Zierden (gleichviel welche) von der Spitze oder dem Zapfen des Stuhls, auf dem sie steht, wegnehmen: – nein, Sie müssen nicht darüber lachen – sahen Sie je in Ihrem Leben eine lächerlichere Anstalt, als jetzt der Stuhl dadurch geworden ist? – Ja, es ist ein so erbärmlicher Anblick wie ein Schwein mit einem Ohr; und gerade so viel Sinn und Symmetrie in diesem wie in jenem. – Bitte – stehen Sie einen Augenblick auf und sehen Sie es sich an. – Nun, glauben Sie, daß ein Mann, dem nur im mindesten an seinem Charakter gelegen wäre, eine Arbeit in einem solchen Zustand aus seiner Hand gegeben hätte? – Legen Sie die Hand aufs Herz und beantworten Sie mir die einfache Frage, ob dieser einzelne Knopf, der jetzt wie ein wahrer Dummkopf da steht, zu irgend etwas Anderem auf der Welt dienen kann, als daß er Einem den Wegfall des Anderen fühlbar macht? – und lassen Sie mich die weitere Frage stellen: würden Sie nicht, falls der Stuhl Ihnen gehörte, im Innern denken, es wäre zehn Mal gescheidter, wenn gar kein Knopf da wäre als der eine?
    Nun sind aber diese zwei Knöpfe – oder obersten Zierden des menschlichen Geistes, die sein ganzes Gestell krönen – nämlich Witz und Verstand, wie ich bewiesen habe, die am meisten nöthigen – die am höchsten geschätzten – die am schwersten zu entbehrenden und dem gemäß auch die am schwierigsten zu erringenden von allen: – und aus all diesen Gründen gibt es keinen unter uns, der so wenig Freude an einem guten Namen oder Unterkommen hätte – oder so unwissend in den Dingen, die ihm gut thun, wäre, – daß er nicht den Wunsch und festen Willen hätte, Herr des einen oder andern, oder vielmehr beider, wenn die Sache sich halbwegs machen ließe, zu werden oder wenigstens dafür zu gelten.
    Da nun die ernsteren Herrschaften wenig oder keine Aussicht haben den einen zu gewinnen – wofern sie nicht schon den anderen haben – was glauben Sie wohl, daß aus Ihnen geworden wäre? – Nun, mein lieber Leser, trotz aller ihrer Ernsthaftigkeit hätten sie sich mit einem nackten Innern zufrieden geben müssen: – dies aber hätten sie nur durch eine Anstrengung der Philosophie ertragen können, die im fraglichen Falle nicht vorausgesetzt werden durfte; – so daß ihnen Niemand zürnen konnte, wären sie mit dem Wenigen zufrieden gewesen, daß sie unter ihre Mäntel und große Perrücken raffen und verstecken konnten, hätten Sie nicht zugleich gegen die rechtmäßigen Eigentümer ein so großes Geschrei erhoben.
    Ich brauche dem geehrten Leser nicht erst zu erzählen, daß dies mit so viel Schlauheit und Kunst geschah, daß sogar der große Locke, der sich selten durch falsche Töne irre machen ließ, – hier übertölpelt wurde. – Das Geschrei war, scheint's, ein so starkes und ernsthaftes, und mit Hilfe der großen Perrücken, feierlichen Mienen und anderer Kunstgriffe ein so allgemeines gegen die armen Witze, daß sich der Philosoph selbst dadurch täuschen ließ: – es war sein Ruhm, die Welt von dem Gerümpel tausend gewöhnlicher Irrthümer befreit zu haben; – dieser aber zählte nicht darunter. Anstatt jedoch sich kaltblütig hinzusetzen, wie ein solcher Philosoph hätte thun müssen, um erst die Thatsache zu untersuchen, ehe er darüber philosophirte, – nahm er im Gegentheil die Sache für erwiesen an, und schrie mit und lärmte so laut wie die Andern.
    Seitdem wurde dies zur Magna Charta der Dummheit; aber der geneigte Leser sieht jetzt, daß dieselbe auf eine Weise erlangt wurde, daß der Rechtstitel keinen Groschen werth ist; – beiläufig eine der vielen, niederträchtigen Betrügereien, welche

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