Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
Vom Netzwerk:
Ernsthaftigkeit und ernsthafte Leute dereinst zu verantworten haben.
    Was die großen Perrücken betrifft, über die man vielleicht denkt, daß ich mich zu frei ausgesprochen habe, – so möchte ich mir erlauben, alles was zu ihrem Tadel oder Nachtheil unbedachtsamer Weise gesagt worden sein mag, durch folgende allgemeine Erklärung zu mildern: – Ich verabscheue, hasse und verwerfe große Perrücken oder lange Bärte nur dann, wenn ich sehe, daß man sich auf sie beruft und sie wachsen läßt, einzig um – zu irgend einem Zweck – jene bezügliche Wirkung damit hervorzubringen. – Friede sei mit ihnen. Nur merke man sich: – ich schreibe nicht für sie.

65. Kapitel.
    Tagtäglich seit wenigstens zehen Jahren nahm sich Vater vor es machen zu lassen: – es ist aber noch immer nicht gemacht, keine andere Familie hätte es nur eine Stunde lang ausgehalten: – und was das Merkwürdigste an der Sache ist, es gab nichts auf der Welt, worüber mein Vater beredter werden konnte als über Thürangeln; – und doch glaube ich, war er zu gleicher Zeit einer der größten Narren derselben, den die Geschichte aufweisen kann. Seine Rhetorik und seine Praxis lagen einander ja stets in den Haaren. – Niemals wurde die Thüre zum Wohnzimmer aufgemacht – ohne daß sie seiner Philosophie oder seinen Grundsätzen ins Gesicht schlug. – Drei Tropfen Oel an einer Feder und ein ordentlicher Streich mit dem Hammer hätten seine Ehre für ewige Zeiten gerettet.
    Was für ein sich selbst widersprechendes Ding ist es doch um einen Menschen! – er stöhnt unter den Wunden, die er doch die Kraft hat zu heilen! – sein ganzes Leben steht in Widerspruch zu seinem Wissen! – seine Vernunft, jene köstliche Gabe Gottes dient nur dazu, seine Erregbarkeit noch zu schärfen (statt Oel darauf zu gießen) – seine Leiden zu vermehren und ihn dadurch noch melancholischer und schwerfälliger zu machen! – armes unglückliches Geschöpf, daß du so handeln mußt! – Gibt es nicht nothwendige Ursachen des Elends genug auf der Welt, mußt du denn dein Häufchen Jammer auch noch aus freien Stücken vermehren? – gegen Uebel kämpfen, die du vermeiden könntest, und andern unterliegen, die du mit dem zehenten Theil der Qual, die sie dir schaffen, für immer vom Herzen abschütteln könntest?
    Bei allem was gut und tugendhaft ist, wenn man innerhalb zehen Meilen von Shandy Hall drei Tropfen Oel und einen Hammer bekommen kann – so soll die Thürangel im Wohnzimmer noch unter der jetzigen Regierung in Ordnung gebracht werden.

66. Kapitel.
    Als Corporal Trim seine zwei Mörser hergerichtet hatte, freute er sich über die Maßen an seiner Arbeit; und da er wußte, was es seinem Herrn für ein großes Vergnügen machen würde sie zu sehen, so konnte er dem Kitzel nicht wiederstehen, sie gerade zu in das Wohnzimmer zu bringen.
    Neben der moralischen Lehre, die ich im Auge hatte, als ich die Geschichte der Thürangeln erwähnte, hatte ich auch noch eine speculative Betrachtung
in petto
, die daraus erwuchs, nämlich: –
    Wenn die Thüre zum Wohnzimmer so aufgegangen und in ihren Angeln gelaufen wäre, wie eine Thüre eigentlich soll –
    Oder zum Beispiel, so geschickt wie unsere Regierung sich aus ihren Angeln gedreht hat – (das heißt, falls der geneigte Leser gut dabei gefahren ist – sonst gebe ich mein Gleichniß auf) – in diesem Falle, sage ich, hätte das Hereingucken von Corporal Trim weder für den Herrn noch für den Diener irgend eine Gefahr gehabt. Sobald er meinen Vater und meinen Onkel Toby fest schlafen sah, – hätte er sich bei seinem ganzen respektvollen Wesen mäuschenstill wieder zurückgezogen und hätte jene in ihren Armstühlen so süß fortträumen lassen, wie er sie fand. Dies war aber moralisch gesprochen, ganz unthunlich, weil die Angel schon seit vielen Jahren aus Rand und Band und unter den stündlichen Plackereien, denen sich mein Vater deshalb ausgesetzt sah, namentlich auch die war, daß er nie nach Tisch die Arme übereinander schlug, um sein Schläfchen zu machen, ohne daß der Gedanke, die erste Person, welche die Thüre öffne, werde ihn unfehlbar aufwecken, immer zuoberst in seiner Phantasie stand und sich beständig zwischen ihn und die erste balsamische Schlafregung stellte, so daß er ihm, wie er oft sagte, die ganze Ruhigkeit des Schlafes raubte.
    »Wenn sich die Dinge in schlechten Angeln bewegen, kann es dann anders sein, geneigter Leser?«
    Was gibt's? wer ist da? rief mein Vater, der in dem

Weitere Kostenlose Bücher