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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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heute natürlich nicht mehr fragen, was er zum Essen will, nach fünfunddreißig Jahren geschwisterlichen Zusammenlebens hat sich das eingespielt. Was die Essgewohnheiten – aber nur die! – anbelangt, ist ja der Biermösel in den Augen vom Doktor Krisper eine medizinische Sensation. Was alles andere betrifft, sagt der Doktor Krisper, ist die medizinische Sensation eher die, dass der Biermösel noch lebt. In seinen Aufzeichnungen führt der Herr Doktor den Biermösel nicht nur als seinen schwierigsten Patienten, sondern auch als den „dünnsten dicken Gendarmen“ der Welt, weil der Schweinsbraten bei ihm einfach äußerlich nicht anschlagen will, während er aber in seinem Inneren gewaltige Verheerungen anzurichten imstande ist. Seine Feinde gehen dann sogar noch einen Schritt weiter und nennen ihn den „dünnsten dümmsten Gendarmen“ der Welt, und das tut dann richtig weh. Auch wenn er sich nach fünfunddreißig Jahren im Dienst eine dicke Haut angezwitschert hat, die ihn für die Alltagsschweinereien von den Leuten unempfindlich macht – seine Seele kann der Mensch nicht so einfach ins Rohr schieben und zehn Minuten Vollgas geben, damit das Butterweiche ein Krusterl kriegt und ihn gegen die wirklich groben Verletzungen schützt. So eine Seele kriegt der Mensch einfach nicht hart!
    „Aber freilich, Roswitha! Freilich, freilich, freilich! Stell her!“
    Die Roswitha! Nicht erst einmal, dass er sich furchtbar gekränkt hat, dass ausgerechnet sie seine Schwester sein muss! Wie wenn ihm ein Wirt den weltbesten Schweinsbraten vor die Nase stellt und ihm dann die Hände abhackt, so gemein kommt ihm das vor!
    Freilich, der Ausschlag, der sich bei ihr die Schenkel hinten hinauf bis zum Gesäß ausbreitet, gegen den ist die Lepra eine leichte Nagelbettentzündung. Da müsste der Herr Doktor Krisper doch endlich einmal eine Salbe bauen, die das Nässende dauerhaft eindämmt und den Juckreiz die ganze Nacht über in die Schranken weist, damit sie einmal durchschlafen kann und nicht dauernd vor Schmerzen herumschreien muss. Aber sonst ist die Roswitha perfekt! Er kennt sie, er mag sie, und über das Schwein weiß sie alles. Da soll er nicht gekränkt sein, dass ausgerechnet sie seine Schwester ist?
    Jetzt schiebt der Biermösel den Teller ein Stückerl von sich weg, rülpst einmal ordentlich und steckt sich den Zahnstocher in den Mund. Er sitzt gemütlich in seinem Winkerl und schaut deppert in die Wirtsstube hinein, wie er nach dem Nachtmahl immer wieder und immer öfter in die Wirtsstube hineinschaut. Gerne schweift er nach dem Essen in Gedanken und Blicken ein bisserl ab, das Schauen und das Abschweifen sind gewissermaßen seine Hobbys. Allerdings schaut ein Biermösel natürlich nicht wie der Esel im Stall, wenn er schaut. Ein Biermösel hat natürlich schon den gewissen Blick aus den Augenwinkeln heraus, und seine Sehwerkzeuge sind zusammengekniffen wie beim Chinesen, fast wie der Mao Tse Tung nicht verwandt nicht verschwägert schaut er, wenn er schaut, hintergründig und geheimnisvoll, einfach nicht zum Durchschauen.
    Auf der Gendarmerieschule oben in Linz war er der Klassenbeste im Schauen und Beobachten, wenigstens in dem einen Fach war er der Star. „Adler“ hat ihn folglich der genannt, der ihm wohlgesinnt war (der Grasmuck), „Blindfisch“ die breite Masse, die ihn verachtet hat, aus der reinen Bosheit heraus. Das Schauen aber hat er über all die Jahre hinweg perfektioniert, auch wenn er jetzt kurz vorm Lebensabend natürlich doch schön langsam die Gleitsichtbrille vom Meisteroptiker vertragen könnte, jünger wird ja auch er nicht.
    „Einen noch, Roswitha!“
    Wenn der Biermösel die Geruchsterroristen am Stammtisch beobachtet, dann nimmt sein geübter Blick immer den Umweg über den Spiegel, den er schräg oberhalb im Herrgottswinkel neben die Himmelmutter hingehängt hat, und zwar in dem speziellen Winkel, dass er die ganze Gaststube im Adlerauge behalten kann, fast so wie der russische KGB früher den Archipel Gulasch im Auge behalten hat (Da fällt ihm ein: Gut möglich, dass er sich heute noch ein kleines Gulasch zum Drüberstreuen vergönnen wird, sehr gut möglich!). Und jetzt fragt er sich natürlich, wer von denen dort drüben am Stammtisch ein bis zwei Rotzbuben daheim im Stall stehen hat, die allein oder im kriminellen Verbund für den Überfall auf die deutschen Sexmonster, als die er sie mittlerweile bezeichnen muss, verantwortlich sein könnten? Der Überfall muss geklärt werden,

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