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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder
Autoren: Manfred Rebhandl
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Schachzug der Heiligen Jungfrau, dass sie ihn irrtümlich in den falschen Bus stolpern ließ?
    Plötzlich fand er sich nämlich inmitten einer Schar fröhlich singender Nonnen aus Polen wieder, allesamt Mitglieder des Rosenkranz-Sühnekreuzzuges, allesamt keine Boxenluder im engeren Sinne, dafür jede Einzelne von geselligster Natur.
    Er nahm in diesem fürchterlich stinkenden und brustschwachen Reisebus mit kaputten Bremsen ganz vorne neben dem kettenrauchenden Fahrer Platz, und los ging die fröhliche Fahrt hinunter in den balkanesischen Wallfahrtsort, wo er schließlich am Ende jener launigen Reise „Dominique Dominique“ in einwandfreiem Polnisch singen konnte, während die polnischen Nonnen ihrerseits akzentfrei »Resi, i hol di mit dem Traktor ab!“ brüllten, die Chemie zwischen ihnen hatte einfach gestimmt. (Auch wenn er sich den Fahrer nicht zum Freund machen konnte, dem er – angeblich! – während der gesamten Fahrt ständig ins Lenkrad griff, und den er – angeblich! – fortgesetzt anfeuerte, doch endlich schneller zu fahren, schneller, schneller, schneller!)
    Als kleinen Freundschaftsdienst, vielleicht auch ein wenig aus Mitleid, schleppten ihn die lustigen Nonnen dann noch vor das Bildnis der Heiligen Jungfrau, Haufen Elend, der er war, nichts weniger als dem Tode geweiht. Sein Hirn war bereits ein löchriger Schwamm, mit dem die Anni keinen Teller mehr hätte waschen können. Und seine Leber war schon hart wie eine alte Semmel. Doch die Heilige Jungfrau hat ihn nur angeschaut, immer nur angeschaut, die kann vielleicht schauen, die Heilige Jungfrau! Damals wie heute liegt kein Vorwurf in ihrem Blick, keine Abscheu vor seinem niedrigen Leben. Sie ist einfach nur reine Gnade und mütterliche Nachsicht. Anders als den Heißsporn Christophorus bringt diese Frau so schnell nichts aus der Ruhe. Und schön, denkt er nun beim Betrachten ihres Bildes, schön ist sie auch, so schön.
    Hat er es am Ende auch ihr zu verdanken, dass sich für ihn nun doch noch zwei Silbestreifen auf dem Horizont abzeichnen? Erst vorige Woche hat ihm die Gemeindeverwaltung trotz seiner unbestreitbaren gesundheitlichen und psychischen Probleme die Deutschkurse für Ausländer übertragen, die er sich zuvor bereit erklärt hat kostenlos zu übernehmen.
    Und dann erreichte ihn gestern dieser Anruf des Puffkaisers Schlevsky, der ihn jetzt auf seiner zum Doppelbett ausgebauten IKEA-Couch „Mysthique“ um sich schlagen lässt wie früher in der Ausnüchterungszelle des Biermösel.
    In einem seiner sechzehn Straßenschiffe werde er gleich morgen früh in Aussee ankommen und bei ihm anläuten, hat ihm der Schlevsky telefonisch auseinander gesetzt. Und weiter: Dass er sich bitte seinen Terminkalender freischaufeln und abseits des regulären Deutschkurses für Ausländer alle verfügbaren Deutschstunden für eine gewisse blonde Person reservieren möge, die nicht älter sei als ein junges Kitz.
    Solche Anrufe des Puffkaisers sind an sich nichts Ungewöhnliches, schließlich verwaltet der Mallinger den Haustorschlüssel seiner Flachdachvilla während der Zeit seiner Abwesenheit. Ungewöhnlich aber war diese gewisse Aufgeregtheit und bis dato gänzlich unbekannte Nervosität in der sonst so festen und sonoren Stimme des Schlevsky, die jetzt auch auf den dünnhäutigen Mallinger abfärben. Angehört hat sich der sonst so Weltgewandte, als würde ihm sein Puffkaiserreich in kleinen Trümmern um die Ohren fliegen und er gerade nicht wissen, wohin seine Reise geht. Als wäre er Teil der fürchterlichsten Massenkarambolage der Formel-1-Geschichte, aus der ihm auch der Professor Sid Watkins nicht mehr heraushelfen könnte -
    Feuer! Feuer! Feuer!

Rauswischen und Reinstecken
    Das hätte sich das Frl. Anni in der – man muss es leider sagen: total verschissenen – Kindheit auch nicht träumen lassen, dass ein einzelner Mann seinen Nassraum so herrichten kann, aber so! Ausschauen tut es da heute wieder, wie auf dem Scheißhaus von einer indischen Slumfamilie komplett ohne Manieren, ein Alb! Zwar gewöhnt sich eine Zugeherin von Format mit der Zeit an jeden Nassraum, und die Anni wischt ja schon raus, seit sie sieben ist. Aber dem Biermösel seine Anlage am Gendarmerieposten in Aussee herüben – heiliges Kanonenrohr! Schaut ihr irdisches Fegefeuer so aus?
    Das Land ist so schmutzig, die Leute sind solche Schweinderln heutzutage, pfui pfui pfui, dass die Anni jetzt schon um halb drei Uhr aus den Federn hüpfen muss, um die Nachfrage halbwegs
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