Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
Vom Netzwerk:
zur Kampfmittelräumzone gemacht hatte. Ein Großteil der Tinkturen und Wässerchen, die mein Vater einem angeekelten Apotheker abgekauft hatte, merzte jedoch nicht nur die Läuse aus, sondern trieb auch die Haarwurzeln aus ihren Verankerungen und ließ einen tagelang wie ein Biber in Paarungsstimmung riechen. Von ranzig wie »Butter in der Bodenheizung« bis unerträglich wie » Herbal-Essences -Napalm« waren alle Duftrichtungen dabei. Um sich diese schreckliche Selbstfolter zu ersparen, gab es nur ein Mittel, das kaum besser war: den Nissenkamm.
    Diese vom Teufel persönlich entworfene Metallreuse war mit so engen Zacken ausgestattet, dass die Läuse und ihre Eier unweigerlich darin hängen blieben. Leider waren sie nicht die Einzigen. Das Ding war so eng, scharf und hartkantig, dass sich meist auch die Hälfte des Scheitels darin verfing und die heillose Verknotung nur zu lösen war, indem man fester nachzog. An diesem Punkt waren wir gerade. Mein Vater hatte meiner Mutter mithilfe des Nissenkamms einen Seemannsknoten in die Fontanelle geflochten, um den sie die meisten Matrosen beneidet hätten. Jetzt gab es nur noch die Möglichkeit, den Nissenkamm eisenhart durchzuziehen, was meine Mutter mit einer lauten Mischung aus Schmerzensschreien und nicht jugendfreien Beschimpfungen goutierte. Bei mir hatte sich der Nissenkamm bereits vor Jahren schon als falsches Bekämpfungsmittel erwiesen. Meine Mutter hatte damals beim Versuch, mir die Nissen aus den Haaren zu kämmen, fast die Hälfte meiner Naturkrause mitgenommen, weshalb ich jetzt schon mal wortlos den Langhaarschneider holte.
    Denn es blieb im Zweifelsfall nur der komplette Kahlschlag. Nach einem prüfenden Blick auf meine Kopfhaut griff meine Mutter daher wortlos nach der surrenden Schermaschine. Ein solches Gerät sollte man Grundschullehrerinnen eigentlich zum Staatsexamen dazuschenken, dachte ich, während sie sich ans Werk machte. Das wäre dann schon das dritte Mal in meiner Schulzeit, dass ich wie ein aufgedunsener Feldwebel ohne Haare zum Unterricht erschien. Eigentlich hatte ich mich ja schon daran gewöhnt, dass meine Physis mich immer wieder auf die Probe stellte, doch diesmal waren die Umstände anders. Heute Abend war schließlich die Party bei Martin Siekmann, und ich war ein einziges pubertäres Gefühlsbündel, eine Supernova kindischer Verliebtheit. Ich konnte Ashley nicht als pickeliger Buddha gegenübertreten, da trug ich lieber für die nächsten zwei Wochen der Austauschs eine Mütze.
    Taylor betrachtete das Schauspiel um die Köpfe meiner Familie mit einigem Abstand, sein Drei-Millimeter-Kurzhaarschnitt hatte ihn vor der Invasion der Blutsauger bewahrt. Hoffentlich erzählte er seinem Begleitungslehrer nicht, dass in seiner Gastfamilie die Läuse grassierten, sonst kam wahrscheinlich noch das Gesundheitsamt und räucherte unser Wohnzimmer aus.
    »Du musst schon still halten«, motzte meine Mutter und schob meinen Kopf vor dem Spiegel wieder zurecht. Auch ihre Laune hatte unter den jährlichen Angriffen der Kopfparasiten sichtlich gelitten, wahrscheinlich trug sie in der Schule jetzt zur Abwehr immer eine Badekappe. Und schon fielen die kümmerlichen Reste meiner Frisur dem Rasierer zum Opfer, links und rechts meines Sichtfelds regnete es Haare. Keine fünf Minuten später sah ich mit meiner gereizten Gesichtshaut und der runden Schädelplatte wie ein Streichholz aus.
    »Komm schon, die wachsen ja nach«, versuchte meine Mutter vergeblich, mich aufzumuntern. Mit gesenktem Kopf wankte ich aus der Tür, noch schlechter konnte ich mich kaum fühlen.
    »Hey, Kojak, got cancer?«, schleuderte es mir aus Taylors Richtung noch fester an den Kopf als jeder Fußball, als ich an ihm vorbei in mein Zimmer ging.
    Ich hatte mich geirrt, noch schlechter ging immer.

Der Partykeller
    Mit noch immer juckender Fleischmütze unter einem faltbaren orangefarbenem Jägermeistercowboyhut stand ich wenig später vor der verschlossenen Kellertür von Martin Siekmann. Von innen drangen die dumpfen Bässe plumper Eurodance-Musik durch das Schlüsselloch, und Disconebel schob sich unter dem Türspalt hindurch, wie in einem schlechten Horrorfilm. Obwohl hinter dieser Tür kein irrer Axtmörder auf mich wartete, sondern nur ein Haufen Teenager mit Gesichtskirmes und unfertigen Körpern, war ich aufgeregt, wie damals, als beim Vorsingen mit dem Schulchor mein Stimmbruch einsetzte.
    Ich schaute an mir hinab und war einigermaßen zufrieden damit, was ich aus der

Weitere Kostenlose Bücher