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Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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freien Lauf zu lassen.
»Werbung für
Hornbach
?«, erklang es aus dem Klassenzimmer.
Dass Tommy nach dieser Antwort keinen weiteren Analyseversuch mehr unternahm, verwunderte selbst uns nicht.
»Das ist PINK FLOYD!«, brüllte er stattdessen ungewohnt energisch, was ihm von einem Großteil der Klasse aber nur ein Schulterzucken einbrachte.
»Syd Barret? Roger Waters? ›The Wall‹?«, versuchte er abermals unsere Gehirnzellen zum Klingen zu bringen.
»Walla?«, formulierte Gökhan wohlgewählt.
»›The Wall‹, nicht Walla, Gökhan, kann doch nicht wahr sein, dass ihr das noch nie gehört habt!«, rief er entgeistert und versuchte noch einmal, den Videorekorder in Gang zu setzen.
Doch leider war es wahr, die meisten hatten noch nie davon gehört. Für den Rest der Klasse, die wie ich bereits als Kind vom Vater mit Klassikern der Rockmusik beschallt wurden, war »The Wall« zwar vertraut, aber es wäre reiner Selbstmord gewesen, das offen zuzugeben. Denn das Album erschien 1979, zu einer Zeit, als das Gökhan-Spermium noch andere Spermien vermöbelte und auch der Rest der Klasse noch nicht auf dem Planeten wandelte. Damit lag Tommys Versuch, den Zeitgeist in unser Klassenzimmer zu lassen, nur schlappe zwei Jahrzehnte daneben und war damit so weit von unseren Interessen entfernt wie Chopin oder Schädelvermessung.
Das war selbst für Tommy Kippel zu viel, und kurz bevor er anfing, mit dem Kopf eine Kuhle ins Pult zu hämmern, gab er uns mit dem Worten »Jetzt ist Pause« frei und stürmte aus dem Klassenzimmer in die Wärme eines Frühlingstages.
Gerade als sich die Tür schloss, gab ihm die Endlosschleife des Videorekorders noch den Refrain von »Another Brick in the Wall« mit auf den Weg: »We don’t need no education«, brüllte der Kinderchor.

Pediculus humanus capitis
    Um mir Zugang zu Martin Siekmanns Party zu verschaffen, »borgte« ich mir auf Lebenszeit eine Drei-Liter-Flasche Lambrusco in Form einer griechischen Säule, die mein Vater als Entschuldigung von einem Lieferdienst erhalten hatte, weil eine tote Maus in der Bolognese Rückenschwimmen geübt hatte. Da niemand sich traute, den »Chateau Frostschutzmittel« zu vertilgen, entwendete ich ihn unbemerkt aus dem Keller.
    Als ich aus meinem Zimmer trat, in dem ich die riesige Flasche deponiert hatte, hörte ich Schmerzensschreie aus dem Badezimmer. Ich rannte hinüber und sah, was auch mir gleich blühen würde: Mein Vater zog an den Haaren meiner Mutter und fuhrwerkte an ihrem Kopf herum, als wollte er eine Autobatterie ausbauen. Ob die Nachbarn wohl auch dieses Mal wieder wortlos an ihren Wohnzimmerfenstern stehen und hinterher behaupten würden, nichts mitbekommen zu haben? Ich ließ mutlos den Kopf hängen und setzte mich neben meine Mutter auf den Badewannenrand. Ich würde der Nächste sein.
    Was klingt, als müsste Barbara Salesch besorgt an ihrem Brillenbügel kauen, war bei uns halbjährliche Routine.
    Wir litten unter Pediculus humanus capitis . Kopfläusen.
    Eine ganze Armee dieser winzigen Biester hatte uns mal wieder zum Club Med der Parasiten auserkoren. Der erste Wirt war wie immer meine Mutter, die als Grundschullehrerin eine perfekte Brutstätte für alle Arten von Krankheiten und Infektionen war, es gab kaum einen Morbus, den ihr nicht irgendein rotznasiges Kind auf Kuschelkurs schon mal zum Abschied geschenkt hatte. Gegen die meisten körperlichen Fisimatenten wie Röteln, Windpocken oder Masern war man immerhin nach einer Infektion oder Impfung immunisiert, dies galt jedoch nicht für die gemeine Kopflaus, die trotz mehrmaliger Auslöschung jedes Lebens auf der Schädelplatte mit fiesester Chemie immer wieder zurückkehrte und sich wahrscheinlich sogar freute, dass ihre Vorgänger noch Kochgeschirr und Teetassen zurückgelassen hatten. Ich stellte mir die Neubesiedlung meines Kopfes immer ein wenig wie eine verspätete Mondmission vor, bei der sich die Astronauten über das zurückgelassene Equipment ihrer Vorgänger freuten. Jetzt fuhr also ein heiterer Erkundungstrupp behelmter Läuse mit dem Mondbuggy durch das dichte Gestrüpp meiner Haare und suchte nach einer schnieken Stelle zur Besiedlung. Wenn die gefunden war, fingen die Läuse an zu pimpern wie die Wollnys, aus den paar Neuankömmlingen waren nach ein paar Tagen ganze Hundertschaften geworden, die gemeinschaftlich Löcher in die Köpfe unserer Familie bohrten, als würden sie darunter Öl vermuten.
    Ein chemischer Nebel lag bleischwer in der Luft, der unser Badezimmer

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