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Lebenslauf zweiter Absatz

Lebenslauf zweiter Absatz

Titel: Lebenslauf zweiter Absatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Landleberwurst und Griebenschmalz auf dem Tisch standen. Ich hätte auch Sand gegessen, bloß um etwas zu tun. Die Mädchen kicherten. Die eine sagte: »Damit hält er seine Unterhosen fest.« Sie kreischten. Mit denen war ich fertig.
    Ich wünschte mich hinaus auf den Mast und stand nur deshalb nicht auf, weil sie dann wirklich denken würden, sie hätten mich geschafft. Während ich an dem Schinken herumsäbelte, suchte ich nach einem guten Abgang. Die Mädchen – es waren vier – standen an dem großen Küchenherd und sahen mir zu. Ob in diesem Hause nichts zu tun war? Die Dickste von ihnen – sie waren, mit Ausnahme der Piepsigen, alle ganz gut bei Schick – sagte, an meiner Figur könne man mal sehen, was der Hunger so alles anrichte, und die neben ihr fragte sich laut, was ich wohl ausgeschlachtet wiegen würde. »Minus!« sagte die dritte und klappte ihren großen Mund wieder zu. Nach jedem Wort, das sie rausgebracht hatten, wollten sie sich totlachen. Es war wohl sonst recht öde hier, und ich kam ihnen gerade zupaß.
    Ich konnte beim besten Willen nicht mehr essen, und darum verabschiedete ich mich von der Mamsell. Ich sagte ihr, das Frühstück sei fein gewesen, bis auf das Gänseklein. Sie verstand den Witz nicht, und es blieb mir nichts anderes übrig, als unter dem Gegacker der Mädchen loszuziehen. Ich ging in den Keller und schaltete die elektrische Wasserpumpe aus. Dann steckte ich noch mal den Kopf durch die Küchentür und sagte zu der Mamsell, ichsähe mich genötigt – ich sagte tatsächlich: »Ich sehe mich genötigt …« –, für heute den Kraftstrom abzuschalten, ich arbeite ohnedies unter Lebensgefahr – hier machte ich eine Pause –, und ihr werde das doch hoffentlich nichts ausmachen, sie habe ja vier kräftige Mädchen im Hause, die könnten das Wasser aus dem Wirtschaftsgebäude holen, die Pumpe sei ja wohl noch nicht eingefroren, und wenn, so lasse sie sich ja auftauen … Großartig war das nun nicht gerade, aber es war Notwehr.
    Dann kletterte ich wieder auf den Mast. Es war gar nicht mehr so kalt. Während ich den dritten gesprungenen Isolator auswechselte, kamen sie über den Hof. Sie trugen große Wassereimer und sangen so laut, daß jeder hören konnte, es mache ihnen nicht das geringste. Natürlich konnten sie sich naheliegende Vergleiche, wie Klammeraffe und verhungerter Maikäfer, nicht verkneifen, aber das spielte sich tief unter mir auf der Erde ab.
    Beim dritten Gang hörte sich schon alles viel krampfiger an, und ich war sehr zufrieden. Ich hatte ja gar nicht damit gerechnet, daß sie so oft rennen würden, aber vielleicht wollten sie ein Schwein brühen, oder die Gnädige wünschte zu baden. Die drei Dicken hätten von mir aus ruhig noch weiter schleppen können, aber die Piepsige tat mir irgendwie leid. Die vollen Eimer rissen ihr beinahe die dünnen Arme ab, und sie schwabberte sich das Wasser andauernd auf die Holzpantoffeln und auf die wollenen Strümpfe. Sie hatte auch gar keine Luft mehr, mit den anderen mitzugackern.
    Als sie zum vierten Male am Mast vorbeikam und die müden Arme mit den jetzt leeren Eimern hängen ließ – die anderen waren ihr schon voraus –, sagte ich: »Kehrn Sie man um, Mädchen, und schalten Sie die Pumpe imKeller wieder ein, das ist ein ganz anderer Stromkreis, aber merken könn’ Sie sich das ruhig, war ’ne Scherzeinlage, und nie vergessen: Elektriker sind eine Macht!«
    Sie war nicht weiter dankbar; sie lispelte, es sei eine Gemeinheit, sie würden jetzt was bei der Gnädigen erleben und kämen wieder mal später ins Bett. Schöne große Kulleraugen hatte sie.
    Die anderen warfen gefrorene Dreckklumpen nach mir.
    Mit dem Mast war ich nun fertig, und ich schleppte meine Sachen an die Scheunenwand, an der die Leitung endete. Das Kabel sollte auch gleich ausgewechselt werden. Die Sache mußte Herrn von der Elsnitz, das war der Besitzer des Gutes, eine schöne Seite Speck gekostet haben, denn das Material war bewirtschaftet, und mein Meister konnte da gar nichts machen, es sei denn …
    Ich brauchte eine Leiter; ich hätte natürlich eine in der Scheune gefunden, aber ich mußte mich ja nicht überschlagen.
    Die Mamsell sah mich strafend an, man hatte ihr die Geschichte wohl schon erzählt. Sie sagte, der Leiternkram schlage nicht in ihr Fach, ich solle den »Entspekter« fragen. Die hatten hier tatsächlich noch einen Inspektor.
    Die Küchenmädchen schälten Kartoffeln, und wenn sie eine matschige fanden, warfen sie damit nach

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