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Lebenslauf zweiter Absatz

Lebenslauf zweiter Absatz

Titel: Lebenslauf zweiter Absatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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all den Lärm platzte mein Meister hinein. »Maul halten«, sagte er zu den Mädchen, und sie taten’s auch.
    »Warum ißte in de Küche?« fragte mein Meister, denn er konnte das nicht leiden. Einmal hatten sie ihn auf einem Rittergut zu Tisch gebeten und gesagt, der junge Mann könne in der Küche essen. Da war er in Fahrt gekommen. Dann werde er auch in der Küche essen, hatte er gesagt. Ich hatte mit an die herrschaftliche Tafel gedurft und mich geärgert. Rittergutsbesitzer Meier-Schenkemann war magenleidend, und es gab Hefeklöße mit Apfelmus. Weiter nichts. Aber mit Serviette und Tischgebet.
    Ich sagte, ich esse lieber hier, hier sei es so richtig gemütlich. Ich wies auf die dicken Mädchen.
    »Für solche Gemütlichkeit biste noch zu jung«, sagteer. »Was willste denn mit de Kombizange hier?« Ich hatte die Zange immer noch in der Hand.
    »Das ist ein Nußknacker«, sagte eine der Dicken. »Den wird er schon noch brauchen.« Sie sah zu Anna hinüber, die still am Ofen stand.
    »Die Mädchen ham wohl nich genug Auslauf«, sagte mein Meister zu Frau Soebenbrodt. »Was sind denn das für Autos auf ’m Hof?«
    »Fliegers«, sagte die Mamsell, »sie speisen mit Madam, und ich dacht, da soll der junge Mann doch lieber hier essen …«
    »So«, sagte mein Meister, »könn’ die auch ’n Hammer halten? Der kann das«, er wies auf mich. Die Mamsell brachte ihm irgendein Paket, und er steckte es in die Aktentasche. Dann ging er, um den kranken Baron zu besuchen. An der Tür drehte er sich um und fragte, wie weit ich sei. Ich sagte es ihm, und er nickte, vielleicht komme er nachher mal nachsehen. Ich wußte, daß er nicht kommen würde.
    Ich steckte meine kostbare Zange wieder in die Tasche und ging auch.
    Auf dem Flur traf ich Anna, die inzwischen wieder in der Halle gewesen war. Fliegen mußte ganz schön Appetit machen.
    Sie wollte an mir vorbei, aber ich hielt sie am Ärmel fest. »Sie haben nicht vielleicht in der Scheune da zu tun, was?« fragte ich und sah nach der Küchentür. Sie machte nur große Augen und kämpfte mit ihrem Haar. Es hatte eine Farbe wie Heidesand.
    Was konnte man noch sagen? Ich kriegte die Zange zu fassen und sagte: »Fein, nicht?«
    Sie nickte, aber ich merkte, daß sie bestimmt nichtwußte, was so ein Ding wert war. »Ohne Werkzeug ist man aufgeschmissen«, sagte ich, und ich dachte, ich müsse ihr sagen, sie solle doch zusehen, ob sie nicht zur Scheune kommen könne, und ich sagte: »Kriegen Sie gar nicht mehr heutzutage.«
    »Ja«, sagte sie. An ihrem Hals klopfte eine Ader ganz schnell. Merkwürdigerweise wünschte ich einen Augenblick lang, ich könnte meine Hand drauflegen.
    Sie sah ängstlich den Gang hinunter und meinte: »Ich muß jetzt rein.«
    Ob ich ihr das mal sagte, daß sie so große Augen wie der Märchenhund hatte? »Ja«, sagte ich, »ich werd mich auch mal wieder an das Kabel machen.«
    Dann standen wir noch eine ganze Weile da; sie spielte an ihrem Haar, und ich klapperte mit der Zange, bis wir hörten, daß die Küchentür aufgemacht wurde.
    Die Arbeit ging mir jetzt ganz gut von der Hand. In der Scheune war es auch nicht gerade warm, aber vor dem Wind war ich sicher, und ich hatte hier viel Holz, auf dem es sich gut arbeiten ließ.
    Ich wunderte mich nur, daß die Scheune nicht schon längst abgebrannt war, denn die alte Anlage war ein einziger Witz. Eine Sicherheitsinspektion hatte sich wohl nie hierher verirrt; die waren bestimmt immer nur bis in die Halle gekommen.
    Bald konnte ich hier einpacken. Es fing schon an zu schummern, und ich hatte mir schon zweimal ordentlich auf den Daumen gelangt. Es war nicht so schlimm, weil ich Handschuhe anhatte; das durfte ich, seitdem ich Monteur war. In der Lehrzeit hatte mich der Alte einmal mit Hammer und Meißel und Handschuhen erwischt, und er hatte mich gefragt, ob ich der Wand vielleicht denBlinddarm rausnehmen wolle, und eine Woche lang hatte er mich nur »Herr Doktor« genannt. Aber jetzt war ich Monteur, Elektromonteur, und das hörte sich viel besser an als »Herr Doktor«.
    Das angenehmste am Winter war, daß man früh mit der Außenarbeit Schluß machen konnte, nachher gab es nur noch irgendwelche Pusseleien mit Plätteisen und Heizsonnen in der warmen Werkstatt.
    Heute war ich nicht so scharf auf das Nachhausefahren. Ich hatte im Magen ein Gefühl wie früher in der Schule, wenn es die Osterzeugnisse geben sollte. Keine Ahnung, wieso.
    Ich turnte auf der alten MacCormick-Dreschmaschine rum und schraubte die

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