Lebenslügen / Roman
Plastiktütchen auf Ms MacDonalds uralter Waage gewogen, und es war fast ein Kilo gewesen, und das war viel Geld wert. Sie vermutete, dass Billy immer etwas von dem Zeug, mit dem er dealte, abgezweigt und versteckt hatte, aber sie fragte ihn nicht, weil sie ihn nicht mehr gesehen hatte, und jetzt war Ms MacDonald in Flammen aufgegangen und mit ihr alle kleinen Plastiktüten, und Rotkopf und Blondie würden ihre Drogen nie mehr zurückbekommen. Sie hatten gewusst, dass Billy das Heroin in den Loebs versteckte, aber sie hatten keine Ahnung, dass sich eine ganze Bibliothek davon in Ms MacDonalds Haus befand.
Ms MacDonald hinterließ ein Testament, wonach ihr Haus verkauft und der Erlös zwischen ihrer Kirche und Reggie aufgeteilt werden sollte. Jetzt hatte Reggie das Geld fürs College, einfach so.
»Was macht dein Bruder an Weihnachten?«, fragte Dr. Hunter.
»Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich verbringt er es mit Feunden.« Eine Wahrheit, eine Lüge, man konnte nicht bei Freunden sein, wenn man keine Freunde hatte. Sie hatte keine Ahnung, wo er war. Er würde wieder auftauchen, der falsche Fuffziger, der verfaulte Apfel.
Komisch. Woher wusste Dr. Hunter von Billy? Reggie war sich hundertprozentig sicher, dass sie ihren Bruder nie erwähnt hatte. Noch so eine rätselhafte Sache, die man zu den rätselhaften Dingen hinzufügen konnte, die Dr. Hunter umgaben, genug, um die Rumpelkammer bis unter die Decke zu füllen.
Mr. Hunter war am ersten Weihnachtsfeiertag nicht da. Dr. Hunter sagte, er käme am zweiten Weihnachtsfeiertag, um dem Baby »frohe Weihnachten« zu wünschen. Er war angeklagt, eine seiner Spielhallen angezündet zu haben, und auf Kaution frei. Er war in einem schäbigen Bed & Breakfast in Polwarth untergekommen, während Dr. Hunter »darüber nachdachte«, ob sie ihn in ihrem Leben zurückhaben wollte, aber man sah ihr an, dass sie sich schon entschieden hatte. Wahrscheinlich würde er für bankrott erklärt, und insofern war es ein Glück, dass das Haus auf Dr. Hunters Namen eingetragen war.
»Er hat es schon versucht«, sagte Reggie und staunte selbst, dass sie für Mr. Hunter eintrat, der ihr schließlich nie etwas wirklich Gutes getan hatte, doch Dr. Hunter sagte: »Aber nicht hart genug.« Sie sagte, wenn Mr. Hunter an ihrer Stelle gewesen wäre, hätte sie alles getan, um ihn zurückzubekommen. »Und ich meine wirklich alles«, sagte sie mit einem wilden Ausdruck, und Reggie wusste, dass Dr. Hunter für jemanden, den sie liebte, bis ans Ende der Welt gehen würde, und sie, die kleine Reggie Chase, Waise der Gemeinde, Lebensretterin von Jackson Brodie, Haushalthilfe von Dr. Hunter, Tochter von Jackie, gehörte zu diesem erlauchten Kreis. Und jetzt, was auch immer daraus werden würde, lag die ganze Welt vor ihr. Vivat Regina!
Gott segne uns alle
B illy latschte an den vielen beleuchteten Fenstern in der Straße vorbei. Am nächsten Wohnblock hing ein riesiger aufgeblasener Weihnachtsmann von einem Balkon und tat so, als würde er hinaufklettern. The Inch war scheiße an Weihnachten. Edinburgh war scheiße an Weihnachten. Schottland, die Welt, das Universum. Alles scheiße an Weihnachten. Im Paki-Laden hatte er Zigaretten gekauft, die hatten wenigstens geöffnet. Er würde seine Schwester umbringen, er hatte seine Schwester fast umgebracht.
Vielleicht müsste er in eine andere Stadt ziehen, irgendwohin, wo ihn niemand kannte. Von vorn anfangen. Dundee vielleicht. »Du bist so ein unternehmungslustiger Junge«, hatte die alte Schachtel zu ihm gesagt, wenn er zu ihr ging und die Glühbirnen austauschte oder den Abfluss reinigte oder was auch immer. Ein Buch aus dem Regal nehmen, das Zeug reintun, das Buch zurückstellen. Reggie durfte nicht an die Bücher, und die alte Schachtel sah so schlecht, dass sie nicht mehr lesen konnte, deswegen hatte er es für sicher gehalten.
Zumindest hatte er das Geld, das ihm Reggies heißgeliebte Ärztin für die Makarow gegeben hatte. Er hatte keine Ahnung, wofür sie sie brauchte. Komische alte Welt.
Ein alter Trinker taumelte an ihm vorbei und sagte, »Frohe Weihnachten, Sohn«, und Billy sagte, »Scheiß drauf, du alter Wichser«, und beide lachten.
Sicher eingebracht
W estminster Bridge in der Morgendämmerung. Es gab da ein Gedicht, und er war erleichtert, dass er sich nicht daran erinnern konnte. Es war eiskalt. Die Stadt war leer auf eine Weise, wie man es normalerweise nicht erlebte. Er hatte nicht erwartet, Weihnachten so zu
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