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Lebens(t)raum: Eine Sommergeschichte (German Edition)

Lebens(t)raum: Eine Sommergeschichte (German Edition)

Titel: Lebens(t)raum: Eine Sommergeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Maucher
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merkte, dass die Zeit, für die sie keinen Begriff hatte, knapp wurde und ließ heftig die Flügelpaare vibrieren, um die Aufwärmung ihrer Flugmuskulatur zu beschleunigen.
    Ein durch die Wolken brechender Sonnenstrahl schenkte ihr einen letzten, wärmenden Kuss, bevor sie es wagte, ihre Flügel ausbreitete und sich taumelnd in die Luft erhob.
    Sich abwechselnde Auf- und Abwinde, böig und mitreißend, ließen ihren Jungfernflug ungelenk und tölpelhaft wirken, spielten mit ihrem federleichten, nadelförmigen Körper und warfen ihn erbarmungslos hin und her. Mit aller Kraft versuchte sie, durch die konträren Strömungen zu navigieren.
    Ein gnädiger Luftstrom trug die Libelle letztlich hinauf, in die Arme der Trauerweide, unter deren Blätterkleid sie sich schutzsuchend verbarg, während die ersten, dicken Regentropfen vom bedrohlich verdunkelten Himmel fielen. Obwohl sie das Grollen nicht hören konnte, spürte sie dennoch, wie der Donner heranrollte, erzitterte, als er sie erreichte. In ihren vielen Tausend Einzelaugen, aus denen sich ihre beiden Facettenaugen zusammensetzten, spiegelten sich zuckend die Blitze. Über 300 Bilder pro Sekunde erlaubten ihr, die naturgewaltigen Entladungen in Zeitlupe zu betrachten, übermittelten ihr das illuminierte Schauspiel des Himmels, in hoher zeitlicher Auflösung.
     
    ***
     
    Als der Regenguss vorbei war und der Wind endlich nachließ, stakste sie unbeholfen unter dem Blatt hervor, welches ihr Schutz vor der Nässe bot. Die Wolken verzogen sich rasch, schon begann die Sonne, das gefallene Wasser abermals zu verdampfen, und die Luft roch erdig, nass und schwer, war erfüllt von den Aromen der unberührten Natur.
    Die Seejungfer setzte sich, auf einem trocknenden Ast, an eine sonnenexponierte Stelle und spreizte weit ihre Flügel, um darunter Wärme zu speichern. Argwöhnisch beobachtete sie einen deformierten Frosch, dem ein Hinterbein fehlte. Vermutlich zeichnete sie selbst sich verantwortlich für seine Behinderung, oder zumindest ein Artgenosse, welcher der einstigen Kaulquappe den wohlschmeckenden Schenkel abgeknabbert hatte.
    Hungrig und rachsüchtig, nun am oberen Ende der Nahrungskette stehend, starrte der Frosch zu ihr hinauf. Unbehaglich begann sie unter seinem Blick zu vibrieren.
    Schließlich breitete sie erneut ihre schillernden Flügel aus, instinktiv zurückgreifend auf atemberaubende Flugkünste, perfektioniert in Millionen Jahren der Evolution. Mit kräftigem Gleichschlag beider Flügelpaare erhob sie sich, schoss steil nach oben und schien einen Moment lang in der Luft zu verharren, bevor sie pfeilgleich davonschnellte.
    Rasant und praktisch lautlos beschleunigte sie, jagte ein Stück am Ufer entlang, dicht über das Schilf hinweg. Sie ließ den See hinter sich zurück und manövrierte geschickt, die Gewandtheit ihres Flugapparats austestend, durch die hohen Gräser der angrenzenden Wiesen. Instinktiv wich sie Spinnennetzen und emporragenden Halmen aus, pflückte sich im Flug eine Blattlaus von einer lieblich und süß duftenden Blume. Saugte sie genussvoll aus, im energiesparenden Dauerflug befindlich.
    Bald ließ sie die Wiesen hinter sich, überquerte ein neues, sorgsam gepflegtes, durch niedrige Zäune unterteiltes Blütenmeer. Unzählige kleine Insekten umschwirrten die farbenfrohen Stauden und blühenden Büsche, deren süßer Duft schwer die Luft erfüllte. Schmetterlinge tummelten sich in diesen liebevoll bepflanzten Gärten, schlürften süßen, erfrischenden Nektar aus üppigen Kelchen, emsige Bienen bestäubten Blüte um Blüte.
    Dann erblickten ihre Facettenaugen einen großen, freien Platz, auf dem reges Treiben herrschte. Neugierig flog sie näher. Ein seltsames, fremdes Wesen, kein Baum, streckte ihr einladend einen Ast entgegen, auf dem sich die Seejungfer rastsuchend niederließ. Helle Gräser, wie getrocknetes Stroh, hingen an Stelle einer Blätterkrone an ihm herunter, stellte sie durch 900 übermittelte Bilder fest, bevor sich der Ast, obwohl gerade kein Wind wehte, unvermittelt bewegte und die Libelle aufgeregt davon stob.
     
    ***
     

Zwei
    „Hast Du gesehen Mutter, der Augenstecher hat sich auf meine Hand gesetzt und mich nicht gestochen!“, jauchzte das blonde, zur Frau erblühende Mädchen entzückt. Britta blickte dem davonschwirrenden Insekt hinterher, bevor sie sich wieder umwandte und ihre emsigen Finger das begonnene Werk fortsetzten.
    Heute war der Tag der Sommersonnenwende und sie half, das getrocknete Stroh um die großen

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