Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leberkäsweckle

Leberkäsweckle

Titel: Leberkäsweckle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Weiler
Vom Netzwerk:
Das Hallenbad befand sich in Waldhäuser-Ost, dem WHO , weit außerhalb der Kernstadt. Ein Bus versuchte, eine am Hang gelegene Haltestelle zu verlassen. Die Räder drehten durch, der Bus schnaubte und wankte. Sebastian seufzte und spielte mit dem Schalthebel herum. Er brauchte für die knapp drei Kilometer fast zwanzig Minuten.
    Hier oben befanden sich die vor vierzig Jahren errichteten Studentenwohnheime, dreißig Stockwerke, Einheitsputz. Alle paar Jahre entzog sich ein überforderter Student durch einen Sprung aus dem Fenster der drohenden Exmatrikulation. Das Panorama von dort oben musste atemberaubend sein. Selbst von hier unten, vom Parkplatz des Hallenbades aus, konnte man am Horizont schon die schneebedeckte Burg Hohenzollern auf dem Albtrauf erkennen. Sie wirkte wie ein filigranes Modell. Zu Sebastians Füßen lag die Altstadt von Tübingen im Zuckerguss, eingezwängt zwischen Schlossberg und Österberg.
    Die konservierte Lieblichkeit der Stadt ging einem früher oder später auf die Nerven, man konnte darüber den Verstand verlieren. Sie passte nicht zum Leben des 21. Jahrhunderts. Spätestens nach dem ersten Mord wünschten sich die meisten Kollegen eine von tristen Plattenbauten dominierte Stadt aus Beton und Glas, die mehr im Einklang mit der abstrakten Lebenswelt der Gegenwart stand als schiefe Fachwerkgiebel und enge Gässchen. Sebastian ging es nicht anders.
    »Morgen«, murmelte er, nachdem er das Hallenbad betreten hatte. »Kommissar Möllner. Sie hatten einen Diebstahl gemeldet.«
    Die Dame hinter der Kasse beeilte sich, den Bademeister zu holen. Sebastian blickte durch eine breite Glasfront. Architektur der siebziger Jahre, Grau- und Grüntöne, trist, regelmäßig, austauschbar. Die Glasfronten verkalkt. Er seufzte.
    Für einen Bademeister war die Gestalt, die sich aus einer der Kabinen schob, überraschend fett. Sebastian fragte sich instinktiv, wie dieser Mann es regelmäßig schaffte, die Wasserrettungsprüfung zu bestehen. Aber trotz seines massiven Übergewichtes waren die Bewegungen des Bademeisters forsch und flink, sie ließen eine erhebliche vibrierende Muskelmasse unter den Fettschichten vermuten.
    Er sprach breites Schwäbisch. »Die Kinder haben es gesehen.«
    »Was gesehen?«, fragte Sebastian, der sich gar nicht die Mühe machte, etwas zu notieren.
    »Na, den Diebstahl.«
    »Kann ich mit den Kindern mal reden?«
    Der Bademeister machte einer jungen Frau, die abseits am Becken stand, ein Zeichen. Sie pfiff eine Gruppe Kinder aus dem Becken, die sich respektvoll dem »Mann von der Polizei« näherten. Sebastian schätzte sie auf sieben Jahre. Sie hielten zitternd die Arme vor der Brust gekreuzt.
    »Also, was habt ihr denn gesehen?«
    »Da kam ein Mann«, sagte ein Mädchen.
    »Ein Junge!«
    »Nein, das war ein Mann.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Weil er schon einen Bart hatte. Und außerdem hatte er eine Badehose an, wie sie nur Erwachsene anhaben.« Gelächter folgte. Der Bademeister brumpfte belustigt.
    »Und was hat der Mann gemacht?«, fragte Sebastian.
    »Das Fach mit den Wertsachen aufgebrochen.«
    »Wo?«
    »Dahinten«, riefen alle im Chor und zeigten mit sieben kleinen Zeigefingern in Richtung Umkleide.
    »Haben Sie das gesehen?«, fragte Sebastian eine junge Lehrerin, die in diesem Moment zu ihnen trat. Sie war schlank, ihr gelocktes Haar noch trocken. Sie war einen Kopf kleiner als Sebastian. Über dem Bikini trug sie nur ein weißes T-Shirt. Zum abgeklärten Ignorieren war der V-Ausschnitt etwas zu tief. Sebastian zwang sich, ihr in die Augen zu sehen. Die Schüchternheit, die ihn regelmäßig gegenüber unbekannten Frauen befiel, hatte er sich nie ganz abtrainieren können.
    »Nein«, sagte sie. »Die Kinder haben es mir erzählt. Sie waren hinten in der Gruppenumkleide. Da gibt es einen Spalt zwischen den Türen. Die Kinder verstecken sich immer drin und beobachten andere Badegäste. Er hat das Wertsachenfach aufgebrochen, und die Kinder haben ihn dabei beobachtet.«
    »Und dann sind sie zu Ihnen gekommen?« Sebastian schätzte die Lehrerin auf Ende zwanzig. »Sebastian Möllner, übrigens.«
    »Das ist die Maja«, sagte ein Mädchen.
    »Für euch immer noch Frau Wehrle«, sagte sie fröhlich. Ernster: »Genau.«
    »Und die – Person war danach verschwunden?«
    »Wie vom Erdboden verschluckt«, sagte der Bademeister.
    »Haben Sie Videoüberwachung an den Wertsachenschränken?«
    Der Bademeister antwortete nicht sofort. Er kratzte sich die Glatze und schien

Weitere Kostenlose Bücher