Leerer Kuehlschrank volle Windeln
große Stärke, sonst hätte sie ihre Hände rechtzeitig vor dem Gesicht gehabt, bevor ihr die Kugel die Brille von der Nase geschossen hätte. Erfreulicherweise nimmt sie es mit Humor, setzt die Brille wieder auf und stellt sich, meinen entschuldigenden Blick annehmend, der kleinen Runde vor: »Ich bin die Sybille. Das hier ist Luca-Winfried. Er ist vorgestern sieben Monate alt geworden …«
Luca-Winfried? Was zur Hölle ist hier los? Offenbar hat Sybille schon öfter einen Ball vor den Latz bekommen, sonst hätte sie den Bengel niemals so genannt. Den Vogel schießt jedoch Melanie ab. Bedauernd blicke ich ihren Sohn an, als wir seinen Namen erfahren: Jeremy Jason Joaquin! Zu allem Übel steht der kleine Mann absolut auf Rosa. Das behauptet zumindest Melanie. Die beiden letzten Mütter in unserem Sitzkreis sind Alexandra mit Florentine und Conny mit Anna. Da kann man sich nicht beschweren, und die beiden Kinder werden ihre Eltern später sicher nicht verklagen. Merkwürdig, dass nur die Jungs einen Blödnamen abbekommen haben. So wird ihnen von Geburt an das Leben versaut. Und mir wird der Tag versaut, als der Ball gezwungenermaßen bei mir ankommt.
»Ich bin Mario und das ist Johanna. Aber das wisst ihr ja schon.«
»Und weiter?«, fragt Evi.
»Wie weiter? Nix weiter! Einfach nur Johanna. Keine Johanna-Ludmila, keine Johanna-Chantal und auch keine Johanna-Manfred.«
»Nein, ich meine, was kann sie denn schon und was sind eure Lieblingsfarben?«, bleibt Evi hartnäckig.
»Achso. Hmm … muss ich nachdenken. Also sie kann schon essen, trinken, lachen, schlafen, pullern, schreien und sich kugeln. Fürs Sitzen, Krabbeln oder Stehen hat sie noch keine App. Meine Lieblingsfarbe ist … Ich habe keine Lieblingsfarbe. Sagen wir mal BUNT . Welche Farbe Johanna besonders mag, weiß ich nicht. Sie brabbelt immer so undeutlich.«
»Ein Mann mit Humor«, findet Evi, »sehr schön. Das gefällt mir. Mario, jetzt wo du schon an der Reihe bist, kannst du uns bestimmt sagen, was unser Thema heute ist. Du hast dich ja bereits umgesehen.«
Mein Blick tastet sich wiederholt durch den kleinen Raum. Außer den Bällen, die in Blau, Grün, Blaugrün, Rot und Bunt herumliegen, kann ich nichts entdecken. Deshalb analysiere ich und antworte pflichtbewusst: »Wir spielen die Handball-WM nach?«
»Aber nein! Unser Thema heute ist: Die Farbe Rot!«
Also das mir DAS nicht sofort aufgefallen ist! Natürlich! Was bin ich doch für ein dummer, dummer Vater. Und da ich laut Evi von Humor umhüllt bin, lache ich in die Runde. Ein Lachen, welches mir umgehend vergehen soll. Denn unsere Kursleiterin schlägt vor, dass wir jetzt alle gemeinsam das Luftballon-Lied singen und darin alle Lieblingsfarben einfließen lassen.
ICH BIN EIN MANN, HOLT MICH HIER RAUS! , denke ich und sage ganz unschuldig zu Evi: »Äh, Evi, es ist zwar gerade ziemlich unpassend, aber ich müsste mal für kleine Jungs. Der Tee heute früh war so riesig.«
»In Ordnung, die Toilette ist gleich vorn neben dem Eingang links. Ich kann dann ja so lange auf Johanna aufpassen«, erwidert Evi, während alle anderen Kursteilnehmerinnen lachen. Sie haben meine Taktik anscheinend durchschaut.
Ich finde den Wasch- und Wickelraum problemlos und schließe mich darin ein. Zuerst reiße ich mir mein Oberteil vom Körper, denn das ist mittlerweile vom Schwitzen so feucht wie das Trikot eines Fußballprofis nach einem WM -Finale inklusive Verlängerung und Elfmeterschießen. Als nächstes rufe ich Christin an. Was hat sie mir hier nur eingebrockt? Das ist das erste und letzte Mal, dass ich mich auf so einen Spaß einlasse. Kein Wunder, dass ich da zum Rumbuff werde. Leider kann ich sie nicht erreichen. Wahrscheinlich sitzt sie gerade auf dem Zahnarztstuhl und kriegt ihre gerechte Strafe. Kleine Sünden bestraft das liebe Gott eben sofort, würde Kristina Schröder jetzt wohl sagen. Darauf legt sie ja wert, seit sie als Bundesfamilienministerin das Fass um das Geschlecht Gottes aufgemacht hat. Ein paar Minuten verharre ich noch im Waschraum, dann kann ich mich nicht länger verstecken, weil der, die oder das von außen an die Tür klopft.
Ich schleiche mich auf Socken zurück zum Kursraum, lege mein Ohr vorsichtig an die Tür und höre die Stimmen des Mütterchores:
»Mein großer, mein runder, mein rosa Luftballon, steigt hoch und hoch und höher, gleich fliegt er mir davon. Und an dem Band, dem langen, da hol ich ihn zurück, gleich hab ich ihn gefangen, da hab ich aber
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