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Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Titel: Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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Grüße zu Weihnachten an alle meine guten Freunde! Eure Lieselotte!
    Ich hatte meine Tante Hannelore früher einmal gefragt, ob meine Mutter überhaupt meine richtige Mutter war. Vielleicht war ich nur ein adoptiertes Kind, eins, das sie nicht richtig lieb hatte, und deshalb ständig auf Reisen ging. Tante Hannelore war ganz erschrocken gewesen. »Um Himmels willen, natürlich ist Lieselotte deine Mutter, und sie hat dich total lieb, aber sie kann es halt nicht lange an einem Fleck aushalten. Und sie ist nun mal nicht die typische Mutter, das liegt ihr einfach nicht so.«
    Zum Glück lag es meiner Tante Hannelore mehr. Sie und Onkel Hubert konnten keine eigenen Kinder bekommen. Da bot es sich quasi an, dass ich zu ihnen zog, schließlich hatten sie dieses schöne neue Haus mit dem großen Garten. Und Lieselotte konnte mich ja schlecht nach Indien in den Ashram zur Transzendentalen Meditation mitschleppen. Oder zu den Hopi-Indianern nach Arizona. Oder wo sie sonst gerade dringend hinmusste, um die Grenzen ihrer Selbsterfahrung auszuloten oder sich vom ewigen Kreislauf der Wiedergeburt zu befreien.
    Ein schöneres Zuhause und ein besseres Familienleben als bei Tante Hannelore und Onkel Hubert konnte ein kleines Mädchen sich wirklich nicht vorstellen, weshalb es mir die meiste Zeit piepegal war, dass meine Mutter in der Weltgeschichte herumgondelte. Fasziniert von den farbenfrohen Postkarten, wünschte ich mir zwar manchmal, sie könne mich vielleicht einmal einladen, mit ihr gemeinsam nach Sumatra oder Feuerland oder anderen exotischen Orten zu fliegen. Doch die meiste Zeit reichte mir mein friedliches, behütetes Leben bei Tante Hannelore und Onkel Hubert völlig.
    »Mutter, warte mal!«, sagte ich hastig, bevor sie wieder auflegen konnte. Sie würde es sonst fertigbringen, einfach irgendwann vor der Tür zu stehen. »Wann genau willst du denn kommen? Und vor allem – für wie lange?«
    »Ach, das entscheide ich ganz spontan, du weißt doch, ich lege mich nicht gern fest! Vielleicht bin ich zu deinem vierzigsten Geburtstag da. Wann war der noch mal?«
    »Vor fünf Jahren.«
    »Oh! Das heißt also, du bist schon … Wann genau ist dein Geburtstag noch gleich?«
    »Mein nächster Geburtstag ist in genau einem Monat, Mutter. Und ich werde nicht vierzig, sondern fünfundvierzig.«
    »Ach! Wie die Zeit vergeht! Oh, da kommt gerade Raoul, ich muss auflegen! Tschüssi, bis dann!«
    Keine Ahnung, wer Raoul war, auf jeden Fall war er wichtiger als ein Telefonat mit mir.
    »Mama, wer war das?«, wollte Timo von der Rückbank wissen.
    »Deine Oma Lieselotte.«
    »Kenn ich die?«
    »Ja, aber als sie das letzte Mal zu Besuch war, warst du erst drei. Deshalb kannst du dich nicht an sie erinnern.«
    »Wo ist sie denn?«
    »Im Moment in Argentinien. Glaube ich. Sie will uns bald mal wieder besuchen kommen.«
    »Ist sie eine liebe Oma?«
    »Natürlich«, sagte ich sofort. »Sie denkt viel an uns und lässt dich ganz herzlich grüßen.« Mein Sohn sollte in dem Glauben aufwachsen, dass seine Großmutter ihn aufrichtig liebte und sich vor Sehnsucht nach ihrem Enkel verzehrte.
    »Ist sie lieber als Oma Helga?«
    »Äh …« Ich verkniff mir das Ja , das mir schon auf der Zunge lag. Lieber zu sein als meine Schwiegermutter war keine Kunst, nicht mal für Lieselotte, die sich praktisch nie blicken ließ.
    »Sie sind beide gleich lieb«, behauptete ich. Die Wahrscheinlichkeit, dass Timo Gelegenheit bekam, darüber selbst Vergleiche anzustellen, tendierte gegen null. Dachte ich.
    Kaum hatte ich das Handy wieder in meiner Handtasche auf dem Beifahrersitz versenkt, klingelte es erneut. Eine Hand am Steuer, fuhrwerkte ich mit der anderen in den Tiefen meiner Tasche herum, die wie immer übervoll mit tausend wichtigen und unwichtigen Dingen war. »Ja, Wingenfeld?«
    »Hallo Annabell, hier ist Ines! Ines von Rathberg. Früher Ines Stolzenfeld.«
    Auch das noch. Ich hätte vorhin nicht an sie denken sollen. Meist stießen einem die unangenehmen Dinge immer dann zu, wenn man vorher an sie gedacht hatte. In jüngster Zeit war mir das häufiger passiert, zum Beispiel bei der Dusche. Erst gestern hatte ich gedacht, dass dieses merkwürdige Knacken ein ganz schlechtes Zeichen war. Und prompt hatte es heute eine Eisdusche gegeben.
    »Erinnerst du dich noch an mich?«, fragte Ines. »Wir haben uns zuletzt vor … warte mal, wann war es? Vor zwei Jahren, oder? Da haben wir mal zusammen in der Stadt Kaffee getrunken.«
    Das war übertrieben. Wir waren

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