Leg los alter Sack
»smalltalkten« und Energydrinks konsumierten.
Natürlich gab es viele Geräte, viel mehr als in meiner Turnvereinbude da unten im Keller, aber ich kam mir hier sozusagen noch fehler am Platz vor.
Wie das hässliche, dickliche kleine Entlein im Schwanenteich. Außerdem waren die meisten Leute auch noch viel jünger als ich. Meine Trainerin, eine etwa 25-jährige, gertenschlanke, durchtrainierte, drahtige, gut aussehende Diplomsportlerin, sah mich ebenso freundlich wie mitleidig an und führte erst einmal ein umfangreiches Beratungsgespräch mit mir, was ich aber eigentlich in Ordnung fand. Sie duzte mich sofort, erklärte mir, was es alles noch an zusätzlichen Leistungen gäbe, was für Powerdrinks sie mir empfehlen würde usw. usf. Ich will Sie hier jetzt nicht langweilen mit den Gerätschaften, an denen ich mich ausprobierte, aber es war im Prinzip das Gleiche wie in dem Turnvereinkeller, nur schicker, hipper, bunter und lauter.
Tja, und dann muss man sich in diesen teuren Sport- und FitnessCentern gleich auf ein Jahr verpflichten. Irgendwie doof, finde ich. Aber das ist wohl das Geschäftsmodell dieser Unternehmen: die Kunden beim inneren Schweinehund packen, sie hinlocken, festnageln, wohl wissend, dass sie im Schnitt schnell wieder aufhören und dann
brav noch das ganze Jahr über weiter löhnen können. Ich kenne zumindest in meinem Bekanntenkreis eine Menge Leute, die Mitglied geworden sind, dann nach ein paar Malen nie wieder hingegangen sind und ordentlich abgedrückt haben. Was ich nicht in erster Linie diesen Unternehmen vorwerfe, aber es ist schon bezeichnend, dass man in diesen »Gyms« selten einen Drei-Monats-Schnupperkurs machen kann, weil die schon ganz genau wissen, dass die meisten wieder abspringen. Was ich dann auch getan habe. Irgendwann hat es mich einfach angekotzt hinzugehen, zu all diesen fitten, hippen Leuten.
Einmal stand neben mir am Stepper eine Frau, die meine Tochter hätte sein können, und blickte zu mir rüber wie zu einem kranken, alten Opi, der sich gerade vom Dialyse-Gerät weggerobbt hat und noch ein letztes Mal an einer Hantel zerrt, um dann dahinzuscheiden.
Trotzdem, jedes Mal, wenn ich aus der Dusche kam, mich im Spiegel sah oder gar in der Öffentlichkeit schwimmen war, dachte ich im Stillen: »Ach, so ein bisschen mehr Muskeln wie der Typ da vorne, das wär’s.« Ich hörte nicht auf darüber nachzudenken, es doch noch mal wieder zu versuchen. Aber ich hatte ja jetzt schon zwei Sachen abgehakt, die Turnhalle und das teure Sportcenter. Was konnte es noch geben? Dann sah ich es. Eine Reklame des Unternehmens Kieser, und das sprach mich auf genau die Weise an, die ich hören wollte, so nach dem Motto »gesundheitsorientiert, kein Schnickschnack, bei uns muss keine Musik gehört werden, bei uns gibt es auch keine Bar und keine Drinks, wir ziehen das so nüchtern durch, wie es sein muss«. Der Mann, der das Training erfunden hat, war auf diesen Plakaten abgebildet. Den hatte ich auch schon in Talkshows gesehen, er wirkte kompetent. Vor allen anderen Vorzügen gibt es diese Kiesercenter überall in Deutschland, so dass man unkompliziert wie bei McDonalds zum Essen überall auch »kiesern« gehen kann, wenn einem danach ist. Die Dinger sehen praktisch alle gleich aus. Ich ging also zu einer Probestunde hin, und ich muss sagen, es gefiel mir ganz gut.
Meine Trainerin war eine fast zwei Meter große, unglaublich kräftige Frau, die in einem Catcherfilm hätte mitspielen können.
Sie war aber wahnsinnig nett und hat mich wirklich kompetent nach Vorerkrankungen und Ähnlichem abgefragt und mir dann wirklich ein auf den Leib geschneidertes Programm zusammengestellt. Bei Kieser sieht es wirklich etwas spartanisch aus, aber ich fand es nicht unsympathisch nach meinem Unbehagen in dem teuren Fitness-Hipster-Center. Kieser ist sozusagen der pure Stahl. Eine Theke, wo man sich anmeldet, dann geht man an die Geräte, daneben befinden sich die Duschen, und man zieht sein Programm durch, schweigend, mit Leuten, die wie man selbst nach der Arbeit da hinkommen, um das zu machen, was ein Mann oder eine Frau halt tun muss, um fit zu werden: pumpen und schwitzen. Ich habe das eine ganze Zeit lang durchgehalten, fast ein halbes Jahr, bis ich wieder Probleme mit den Bandscheiben bekam, was aber nicht ursächlich mit dem Kiesertraining zusammenhängt, sondern daran liegt, dass der Rücken nun mal meine Schwachstelle ist.
Danach versuchte ich es erst mal mit Akupunktur, wollte es ein
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