Leg los alter Sack
die wunderbarsten Sachen.
Ich traf schon Rehe, Hirsche, Wildschweine, freilaufende, aber freundliche Hunde und einmal einen Serienkiller, den ich dann mit einem gezielten Karateschlag niederkloppte und dann der Polizei übergab.
Das Letzte stimmt natürlich nicht, aber ich habe befürchtet, dass Sie während meiner Eloge über das Laufen eventuell eingenickt sind, und wollte mal einen Aufmerksamkeitspunkt setzen.
Deshalb komme ich jetzt auch zum Schluss: Ich bin also fitter geworden. Tatsächlich haben sich über die Jahre an meinen mageren Beinen kleine, feine Muskelstränge gebildet, auf die ich sehr stolz bin. Obenrum muss ich durchs Schwimmen noch ein bisschen zulegen, aber das wird schon. Schätzungsweise mit 70 oder 80 Jahren werde ich dann wohl ein relativ kräftiger Kerl geworden sein. Solange also Knie und Pumpe mitmachen, kann ich allen alten Säcken das Laufen nur ausdrücklich ans möglicherweise schon leicht verfettete Herz legen. Und hey, dreimal die Woche den Arsch morgens hochkriegen, das geht schon. Im Sommer macht es Spaß, im Winter ist es ein bisschen härter, aber man muss es schon das ganze Jahr über durchziehen. Ich bin schon im Winter in der kompletten Dunkelheit bei minus 20 Grad gelaufen. Das ist bei jedem Atemzug so, als ob man sich ein Eis in den Rachen schiebt, und ich bin, ich muss es zugeben, in der Dunkelheit auch schon zwei-, dreimal lang hingeschlagen. Aber watt mutt, datt mutt! Und so eine Grubenlampe oben rum, die bringt schon einiges.
Der eine oder andere findet es übrigens auch ganz großartig, in Gesellschaft zu laufen, um den inneren Schweinehund noch besser zu bekämpfen. Ich halte von Gemeinschaftslaufen nicht so viel.
Ich bin ein äußerst kommunikativer Mensch, andere nennen das Plaudertasche oder Labersack, aber es ist tatsächlich so, dass man dann zu viel quatscht beim Laufen.
Das ist möglicherweise gar nicht schädlich, aber ich habe gemerkt, dass bei mir dadurch diese meditative, kontemplative Stimmung, dies gleichförmige, angenehme Hören auf den eigenen Körper verloren geht. Deshalb laufe ich lieber alleine – und labere anschließend beim Frühstück umso mehr.
»Sackrileg«
WAS MAN ALTEN SÄCKEN NIEMALS ANTUN DARF
Den Holzfäller in sich entdecken
ICH SÄGTE SELBST
Bei meinen Kollegen gelte ich nicht gerade als der Mann, den man fragt, ob er beim Renovieren eines Hauses oder einer Autoreparatur mit anpackt. Ich muss auch keine Weinflaschen öffnen, ganz einfach, weil ich zwei linke Hände habe. Ich bin zu doof zum Handwerken. Aber ich will ja an mir arbeiten. Meine Frau schätzt es, wenn ich mal was »Praktisches« hinbekomme. Das soll im Alter jetzt häufiger der Fall sein. Ich will ein Macher werden! Und als ich hörte, dass die Kollegen vom Stern ein »Outdoor-Journal« in Planung hatten, wo auch einer das richtige Sägen im Wald lernen sollte, wagte ich mich vor und rief: »Leute, lasst mich sägen! Ich will es lernen. Ich kann das. Äste – wollt ihr ewig leben?« »Es geht nicht um Äste, Mann«, sagte Kollege Oliver. »Du musst ganze Bäume umhauen.«
Das schockte mich erst mal. Aber ich kam aus der Nummer dann nicht mehr raus. Also begann ich mit der Recherche.
Und das Ergebnis sorgte für »Angst essen Seele auf«!
Man spricht ja immer so locker von »blutigen Anfängern«. Schon möglich, dass diese Wendung einst von sägenden Waldarbeitern erfunden wurde. Es gibt laut einschlägiger Unfallstatistiken kaum etwas Gefährlicheres als Kettensägen. Einmal abgerutscht, und man blamiert sich bis auf die Knochen. Aber trotz aller Gefahr: Gesägt wird immer mehr in deutschen Landen. Und das beileibe nicht nur von Profis. Deutschland, so stellte ich fest, ist auf dem Holzweg.
Weil Kaminöfen immer beliebter werden, aber das Brennholz vom Händler teuer ist, sägt der Privatmann von Welt zunehmend selbst. Gern auch mal in den eigenen Körper.
Deshalb wird mittlerweile in den meisten Bundesländern kein privater »Brennholzselbsterwerber« mehr in den Forst gelassen, ohne dass der vorher eine Art Führerschein für Motorsägen gemacht hat. Seriöse Kursanbieter sind unter anderem Forstämter. Dort habe ich dann für meinen Säge-Lehrgang vorgesprochen. Hier ist mein schonungsloser, atemberaubend spannender Bericht, direkt von der Forstfront, vom Kampf mit baumlangen Bäumen.
Herr Hoffmann vom Forstamt Farchau, nahe Ratzeburg, ist mein Kontaktmann vor Ort.
Er mustert mich, sieht die zarten Journalistenhände und den leptosomen
Weitere Kostenlose Bücher