Leg los alter Sack
Schrotflinte. »Nein, nein«, sagte ich. »Ich habe doch schon Proben. Ich bin Journalist. « »Ah«, sagte die Schabracke. »Ein Tester.«
»Ja«, gab ich zurück. »Kester, der Tester.«
Da war das Eis aber so was von gebrochen, und sie beschrieb mir ausführlich, wie man Düfte auszuprobieren habe. Nicht, wie ich dachte, voll in die Fresse, sondern dezent einen Spritzer auf die Pulsschlagader oder an eine andere Stelle, »an der die Haut dünn ist«. Und nicht verreiben, das »verschmiere das Hautfett«. Dann einwirken lassen und nach ein paar Minuten beherzt schnuppern.
Derartig kompetent gebrieft ging ich nach Hause und begann mit den Selbstversuchen. Hier ist mein Protokoll:
Duft Nummer 1: »Tom Tailor«. Sprüh! Wart! Schnupper! Ein angenehmer Duft. Leicht. Unaufdringlich. Einen Hauch zu nussig im
Abgang und etwas zu stromlinienförmig auf der hinteren Nasenschleimhaut. Insgesamt aber ein feiner Tropfen.
Kommentar einer Kollegin: »Riecht gut, aber zu jung für dich.«
»Okay, kann ich akzeptieren«, sagte ich. Ich bin 52. Also schon halb alt. Und genau deshalb werde ich den guten Tom weiter benutzen.
Duft Nummer 2 heißt »Lalique pour homme«. Packung und Flacon ziert ein goldener Löwe. Ziemlich kitschig. Und so riecht der Stoff auch. Schwer und sehr lieblich. Wäre es ein Wein, würde ich auf das Flaschenetikett schreiben: »Von deutschen Winzern mit Zucker auf Trinkstärke herabgesetzt.« »Lalique« dieselt eindeutig zu lange süßlich nach.
Es klebt förmlich im Rüssel.
Für diesen Duft bin ich ganz eindeutig noch zu jung.
Nummer 3, »Pure« von Jil Sander, spricht mich schon durch die dezent-schicke Verpackung und den ebenso schlichten Flacon an. Beherzt trage ich die kristallklare Flüssigkeit auf, lasse sie einwirken, wittere – und bin verwirrt. Mag ich das? »Pure« riecht ungewöhnlich. Nicht dezent, aber auch nicht aufdringlich.
Fruchtig und irgendwie, nun ja … entschlossen.
Der Duft hat Charakter. Meine Frau mag ihn auch und sagt, ich solle ihn fortan regelmäßig tragen. Der Ritterschlag!
Nummer 4, »B-Men« von Thierry Mugler, irritiert nach dem beherzten Auftragen erst mal meine vorderen Geruchspapillen. Eine Art geruchstechnischer Faustschlag. Heavy stuff! Mir wird schwindelig. Handelt es sich hier vielleicht um ein Lokalanästhetikum?
Oh, röche es doch anders.
Hier haben wir einen schweren, raumgreifenden Duft, der an Königshäuser, den Wiener Opernball und ältere Herrschaften denken lässt. Nix für mich.
Nummer 5, »Kenzo Air«, befindet sich in einem quadratischen, schmalen, blauen Flacon. Ich sprühe ihn mir in die Nackenbeuge, lasse ihn einwirken, reibe befehlsgemäß nicht und lasse meine Gattin schnuppern, weil ich mit der Nase ja nicht in meine Nackenbeuge komme. Dennoch steigen mir ein paar feine Tröpfchen in die Nase.
Ich kann diesem Duft schon mal grundsätzlich eine wuchtige Würze bescheinigen.
Meine Frau schnuppert und ist sich nicht sicher. Zu intensiv? Sie sagt, ich solle »ihn mal einwirken« lassen. Am Abend geht sie mir noch mal mit der Nase an den Nacken und beschließt, dass dieser Duft nichts für den täglichen Gebrauch, sondern was für feierliche Anlässe sei. Er habe etwas »Erhabenes«. Das hat sie schön gesagt. Ich schließe mich meiner Frau an.
Nummer 6 heißt »Echo«, ist von der Firma Davidoff und mein Spitzenreiter. Ein warmer, anschmiegsamer Duft, zwischen goldgelbem Fruchtaroma und rassiger Herbe.
Herbe? Kann man – analog zu Süße – Herbe sagen?
Ich will es hier tun. »Echo« trägt sich wie ein schönes Hemd. Man möchte es jeden Tag anhaben. Dieses Eau de Toilette schmeichelt der Nase, und – nein – ich habe kein Geld von der Firma Davidoff angenommen. Ich mag »Echo« einfach so, weil es verdammt gut riecht.
So, dies war mein Testprotokoll. Aber irgendwie ist meine journalistische Neugierde noch nicht befriedigt. Zu jedem einzelnen der Düfte habe ich mich geäußert. Wie aber, so frage ich mich, ist die Kombination verschiedener Wässerchen zu bewerten? Wie riecht es, wenn man die Düfte mischt? Ich habe mich deshalb in diesem Moment zu einem Selbstversuch entschieden. Während ich diese Zeilen schreibe, werden Sie, liebe Leserinnen und Leser, Zeuge, wie ich live alle getesteten Eau de Toilettes auf einmal ausprobiere. Alle zusammen in einem gigantischen olfaktorischen Experiment. Geben Sie mir eine Minute. Ich schreib dann gleich weiter …
So, jetzt ist es vollbracht. Ich habe mich mit allen Wassern
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