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Legionare

Legionare

Titel: Legionare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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waren. Trotzdem ging sie auf eine Hecke zu. »Kommt mit.«
    Sie erreichten die Hecke, eine Grenze aus hohem, dichtem, verfilztem Gestrüpp. An ihr führte ein schmaler Trampelpfad vorbei. Oben auf dem Felsen hatte Dar ein ganzes Netz von Pfaden bemerkt, die an Hecken entlangführten; sie wollte sie nutzen, um die Straßen meiden zu können. Nun folgte sie dem unbefestigten Weg, bis die Hecke, an der er entlang führte, einen anderen kreuzte. Dar schaute zu den Sternen auf, um herauszukriegen, wo Norden war, dann wählte sie den Pfad, der nach Nordosten führte. Ihr Zickzackkurs führte an Wiesen, Obstgärten und frisch bepflanzten Feldern vorbei. Sie bewegten sich stets auf der im Dunkeln liegenden Seite der Hecke. Wenn der Pfad zu einer Behausung führte, kehrten sie um und suchten einen anderen Weg. Diese Achtsamkeit brachte sie zwar nur langsam voran, doch im Laufe der Nacht, als die ganze Welt zu schlafen schien, wurden ihre Schritte schneller.
    Eine ganze Weile nach Mitternacht trat plötzlich vor ihnen eine Gestalt aus der Hecke mitten auf den Pfad.
    Dar erstarrte. Es war eine Frau in einem bis auf den Boden reichenden Gewand. Dar sah sie deutlich. Ein dünner Metallstreifen schlang sich um ihre Stirn. Dichtes schwarzes Haar umgab ein exotisches Gesicht. Dar sah blasse Augen, eine hohe, breite Stirn und ein kleines Kinn, das von einer Reihe dunkler Markierungen bedeckt war. Die Frau lief, als sei sie geistig abwesend. Sie schien Dar nicht zu sehen. Als diese den Orks mit einer Geste zu verstehen gab, sie sollten anhalten, blieb die Frau stehen und schaute sie an.

    »Warum halten wir an?«, fragte Kovok-mah leise.
    Bevor Dar antworten konnte, sagte die Frau: »Naug nav ther?« Wo bist du?
    Es überrascht Dar so sehr, sie Orkisch sprechen zu hören, dass sie in der gleichen Sprache antwortete. »Ich weiß nicht.«
    Kovok-mah schien zu glauben, sie habe auf seine Frage geantwortet. »Warum gehen wir dann nicht weiter?«
    Dar wandte sich um und sagte leise: »Die Frau da sieht uns!«
    »Welche Frau?«, fragte Kovok-mah.
    Dar wandte sich um und deutete nach vorn. Auf dem Pfad war niemand. Sie ging an die Stelle, an der die Frau gestanden hatte, und suchte die Umgebung ab. »Sie hat hier gestanden. Hast du sie nicht gesehen? Sie hat mich gefragt, wo ich bin.«
    »Ich habe nichts gesehen«, sagte Kovok-mah. »Ich habe auch nichts gehört.«
    »Wie ist das möglich?«
    »Es ist Nuf Bahi – wenn Visionen kommen.«
    Dar erkannte mit Schauder erregender Gewissheit, dass die Frau nicht aus Fleisch und Blut gewesen war. Deswegen habe nur ich sie gesehen. Es wäre ihr lieber gewesen, sie hätte sie nicht gesehen. Alle ihre bisherigen Visionen hatten ein Ableben vorhergesagt. Hoffentlich war es diesmal nicht auch so. Die Worte der Frau erschienen ihr besonders Unheil verkündend. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin, sagte sie sich. Ich hab mich verlaufen. Sie überkam plötzlich das Gefühl, es den Orks gestehen zu müssen. Doch als sie sich umdrehte, um sie anzuschauen, hielt Zna-yats Gesichtsausdruck sie davon ab. Er wartet nur darauf, dass ich eine Schwäche zeige.
    Dar überlegte sich noch einmal, was sie sagen sollte. »Im Dunkeln sehe ich nicht sehr gut«, sagte sie schließlich. »Deswegen schickt Muth’la mir Zeichen.«

3

    JEDER ORK REAGIERTE auf Dars Vision anders. Man konnte ihre Reaktionen an ihrer Miene ablesen: Duth-tok war von Ehrfurcht erfüllt. Lama-tok empfand Unbehagen. Varz-hak strahlte etwas von beidem aus. Zna-yat zeigte die süffisante Mimik eines Wesens, das gemerkt hat, dass sein Gegenüber Taschenspielertricks anwendet. Kovok-mahs Miene war die vielschichtigste. Dar sah Besorgnis in ihr, aber auch Verwunderung.
    Zwar verheimlichten Orks keine Gefühle, aber sie drückten sie auch nicht wörtlich aus. Nur Kovok-mah sagte etwas. Als er das Wort ergriff, tat er so, als hätte Dar eigentlich nur angehalten, um eine Rast einzulegen. »Bist du zum Weitergehen bereit?«
    Dar atmete tief durch. »Hai.«
    In dieser Nacht hatte sie keine Visionen mehr. Obwohl sie noch immer befürchtete, sie könnte sich verlaufen haben, führte sie die Orks weiter. Ihr einzige Anhaltspunkt waren die Sterne, denen sie nach Norden folgte, zum Gebirge. Je näher der Mond dem Horizont kam, umso dunkler wurde es, sank die Gefahr, dass man sie sah. Doch als sie durch das Vorgebirge
gewandert waren, hatten sie am Tage Nahrung gesucht. In bewohnten Gegenden war dies zu riskant. Sie mussten also irgendwie während der Nacht Proviant

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