Lehmann, Christine
getragen worden war: beim Mondspaziergang ums Leben gekommen.
»Susanne wusste, wen sie heiratet«, sagte Gunter. »Sie kannte Torti seit der Schulzeit. Wir hatten da sogar eine Wette am Laufen, der Torti und ich.«
»Was für eine Wette?«, fragte ich und säbelte dem Spargel die Köpfe ab.
»Also ich würde sterben vor Angst, wenn mein Mann auf den Mond fliegen würde«, kicherte Schüssi dazw i schen.
»Bald haben wir sowieso kein Geld mehr für so was!«, verkündete Viola. »Die C O 2 -Bilanz von Raumflügen ist inakzeptabel. Und wir haben doch jetzt schon dermaßen Probleme auf der Erde wegen der Klimakatastrophe, dass eigentlich niemand mehr Raumfahrtprogramme bezahlen kann.«
Gunter verzog das Gesicht und murmelte: »Dann wird der Mond vielleicht unsere einzige Rettung sein. Unser siebter Kontinent.«
»Wir haben sowieso keine andere Wahl!«, bruddelte Jockei. »Wollen wir denn wirklich ewig von russischem Erdgas abhängig sein? Wollen wir unsere Freiflächen mit Windkraftanlagen und Solarzellen pflastern? Unsere ei n zige Zukunft ist die saubere Kernfusion.«
»Da ist noch gar nichts geschwätzt«, unterbrach R i chard kenntnisreich. »Die saubere Heliumfusion hat noch keiner zuwege gebracht, und euer Testreaktor in Fran k reich mit dem lateinischen Buchstabenhaufen Iter für Weg, der befindet sich gerade mal auf demselben. Und auf einen Grundstoff setzen, den es auf der Erde so gut wie gar nicht gibt, das scheint mir …«
»Auf dem Mond gibt ’ s Unmengen Helium-3«, unte r brach Gunter.
»Aber eben nur auf dem Mond!«
»Aber es rechnet sich!«, warf Gunter ein.
»Und genau deshalb muss der Mond europäisch sein«, bruddelte Jockei dazwischen. »Wir dürfen nicht alles den Amerikanern, Russen und Chinesen überlassen. Eine Tonne Helium-3 vom Mond ist vier Milliarden Euro wert. Wer dort Helium abbaut, wird sich dumm und dä m lich verdienen. Glücklicherweise sieht die Kanzlerin das mit der Raumfahrt ein bissle anders als dieser Gazprom-Stoffel vorher. Sie ist immerhin Physikerin. Wenn auch der EU-Etat für die Weltraumforschung nur ein Nase n wasser ist, verglichen mit dem, was die USA oder Japan ausgeben.«
Meine Spargelköpfe waren kalt und schmeckten nach Schwefel.
»Der Mond darf niemandem gehören, finde ich«, sagte Viola. »Finden Sie das nicht auch, Frau Nerz?«
»Äh!«
Gunter stellte die Weinflasche aus Violas Reichweite.
»Gibt es da nicht den Weltraumvertrag?«, stocherte ich in den Untiefen meiner Viertelbildung.
»Ja«, übernahm Richard mühelos. »Der Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums ei n schließlich des Mondes und anderer Himmelskörper aus dem Jahr 1967. Den haben immerhin hundert Staaten unterzeichnet.«
Viola lachte auf. »Aber sicher nicht die USA.«
»Sogar die USA. Der Vertrag sollte damals verhi n dern, dass Atomwaffen ins All gebracht werden. Er legt fest, dass der Weltraum und seine Gestirne nur zu friedl i chen Zwecken genutzt werden dürfen. Das legen die Amer i kaner allerdings inzwischen anders aus als die Russen. Die USA verstehen unter friedlich nicht aggressiv , wä h rend die damalige Sowjetunion von nicht milit ä risch ausging.«
Der Spargel stellte sich in meinem Magen quer.
»Mir gehört schon ein Stück vom Mond!«, triumphie r te Schüssi. »Jockei hat mir ein Mondgrundstück zum G e burtstag geschenkt. Da gibt es einen Amerikaner, der verkauft Mondgrundstücke. Ich hab zu Jockei schon g e sagt: Kauf doch gleich den ganzen Mond.«
Jockei blickte von seinem Teller auf.
»Aber da kann doch nicht einfach einer behaupten«, fuhr Viola hoch, »ihm gehöre der Mond, und dann Grundstücke verkaufen! Oder? Richard, was sagst du dazu, du als Staatsanwalt?«
»Oh, das ist kompliziert«, antwortete der Jurist ve r gnügt. »Soviel ich weiß, hat dieser Amerikaner sich im Grundbuchamt von San Francisco seine Besitzansprüche auf den Mond eintragen lassen und dann UNO, USA und die damalige UdSSR informiert. Augenscheinlich hat niemand innerhalb der ausgesetzten Frist von acht Jahren Berufung eingelegt.«
»Also müssten NASA oder ESA jetzt mich fragen, wenn sie mein Grundstück nutzen wollten«, sagte Schü s si. »Ich könnte Pacht verlangen und reich werden.«
»Sicherlich nur auf dem Klageweg«, lächelte Richard. »Und es würde ein sehr, sehr langer Klageweg werden, und ein sehr teurer mit äußerst ungewissem Ausgang.«
Jockei senkte seinen Blick wieder ins
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