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Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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KAPITEL 1
    Mitte Februar wurde es früh dunkel. Pitt trat von seinem Schreibtisch zu den an der Wand angebrachten Gaslampen, um die Flammen höher zu drehen. Auch wenn er sich in seinem Büro noch nicht richtig wohlfühlte, gewöhnte er sich allmählich daran. In gewisser Weise sah er es nach wie vor als das Victor Narraways an. Und so erwartete er, als er sich dem Schreibtisch erneut zuwandte, an der Wand dahinter statt der Seestücke mit blauem Himmel, die ihm Charlotte gegeben hatte, die von seinem Vorgänger dort aufgehängten Bleistiftzeichnungen kahler Bäume zu sehen. Seine Bücher hingegen unterschieden sich nicht sonderlich von denen Narraways. Zwar befanden sich weniger Gedichtbände darunter, vielleicht auch nicht so viele Klassiker, aber die juristischen Werke sowie die Titel zu geschichtlichen und politischen Themen waren den seinen ähnlich.
    Dort, wo sich zuvor das Porträt von Narraways Mutter im Silberrahmen befunden hatte, stand jetzt Pitts Lieblingsfoto. Es zeigte außer der in die Kamera lächelnden Charlotte auch Jemima, die mit ihren dreizehn Jahren schon fast erwachsen aussah, und den zehnjährigen Daniel, der noch ein richtig weiches Kindergesicht hatte. Pitt hatte das Bild gerade erst dorthin gestellt.
    Zwar hatte man nach dem Fiasko von Narraways Unternehmung in Irland nichts gegen seinen Vorgänger unternommen, da er sich nichts hatte zuschulden kommen lassen, ihn aber auch nicht wieder als Leiter des Staatsschutzes eingesetzt, sondern stattdessen Pitt, der das Amt kommissarisch verwaltet hatte, darin bestätigt. Obwohl seither bereits meh rere Monate vergangen waren, fiel es ihm immer noch schwer, sich daran zu gewöhnen. Besonders zu schaffen machte ihm das Bewusstsein, dass die Männer, die erst seine Vorgesetzten, dann ihm gleichgestellt und jetzt ihm untergeben waren, die neue Situation bestenfalls unbehaglich fanden. Es hatte für sich genommen nichts zu bedeuten, dass man eine hohe Position bekleidete. Zwar konnte man mit ihr Gehorsam erzwingen, aber keine Loyalität.
    Bisher hatte man ihm widerspruchslos gehorcht. Allerdings hatte die Abteilung in den letzten Monaten lediglich mit einer Reihe vorhersehbarer Schwierigkeiten zu tun gehabt. So hatte es die übliche lautstark geäußerte Unzufriedenheit der besonders in London zahlreichen Zuwanderer gegeben, aber keine Krise. Er war nicht genötigt gewesen, eine der schwierigen Entscheidungen in Situationen zu treffen, die oft in einer Grauzone lagen und die Urteilskraft auf die Probe stellten. Wenn es dazu kam, mochten die Dinge anders aussehen; dann konnte es sein, dass man ihm nicht unbedingt traute und ihm vielleicht sogar Widerstand entgegensetzte.
    Durch das Fenster sah er auf das bunte Muster der Dächer und die elegant gegliederte Fassade des gegenüberstehenden Gebäudes, deren Umrisse er im allmählich nachlassenden Licht nach wie vor erkennen konnte. Der helle Schein der Straßenlaternen drängte sich immer mehr in den Vordergrund.
    Er erinnerte sich an Narraways ernstes und müdes Gesicht, in das tiefere Falten als zuvor eingegraben waren. Das war kein Wunder. Immerhin hatte er in einer schwierigen Angelegenheit den Versuch unternehmen müssen, Schmach und Schande von sich abzuwenden, und litt wohl auch noch unter den seelischen Nachwirkungen dessen, was er in Irland durchgemacht hatte. Auch wusste Pitt inzwischen, was Narraway für Charlotte empfand, doch hatten dessen dunkle Augen wie immer so gut wie nichts von seinen Gefühlen preisgegeben.
    »Sie werden Fehler begehen«, hatte er in der Stille jenes Büros gesagt, in dem sie mit dem Blick auf den Himmel und die Dächer allein gewesen waren. »Sie werden zögern, tätig zu werden, wenn Ihnen bewusst ist, dass Sie im Begriff stehen, Menschen Schmerzen zuzufügen, wenn nicht gar, sie zu vernichten. Zaudern Sie in solchen Fällen nicht zu lange. Sie werden Menschen falsch einschätzen – Sie hatten schon immer den Hang, von Angehörigen höherer Kreise besser zu denken, als angebracht wäre. Verlassen Sie sich um Gottes willen auf Ihren Instinkt, Pitt. Mitunter wird Ihr Handeln schwerwiegende Folgen haben. Damit müssen Sie leben. Ihr Wert für den Staatsschutz bemisst sich danach, dass Sie nur wenige Fehler machen und aus jedem von ihnen etwas lernen. Auf keinen Fall dürfen Sie Entscheidungen ausweichen – das wäre der schlimmste Fehler von allen.«
    Sein Gesicht war bei diesen Worten düster gewesen, überschattet von Erinnerungen. »Es zählen nicht nur die

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