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Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit (German Edition)

Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit (German Edition)

Titel: Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas de Padova
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musikalisches Gehör. Außerdem fahndete er nach Auswegen aus dem Dilemma. Statt Kugeln aus der Höhe herabfallen zu lassen, studierte er langsame, verzögerte Bewegungen wie das Rollen einer Kugel auf einer schiefen Ebene oder die Schwingungen eines Pendelgewichts.
    Wenige Jahrzehnte nach seinem Tod ist die Pendelschwingung zur Basis der Präzisionszeitmessung geworden. Neue mathematische Konzepte ermöglichen nun eine umfassende Analyse von Bewegungsvorgängen. Mit Newtons Principia erreicht diese Entwicklung 1687 ihren vorläufigen Höhepunkt.
    Die Grundzüge der neuen Theorie zeichnen sich aber schon lange vor dem Erscheinen der Principia ab. 1674 wird in London eine Abhandlung über die Bewegung der Erde gedruckt. Eines Tages, so der Autor, werde er ein Weltsystem entwerfen, das sich in vielen Einzelheiten von allen bisher bekannten unterscheide. Es beruhe auf drei Annahmen:
    »Erstens, dass sämtliche Himmelskörper eine anziehende oder Gravitationskraft besitzen, die in Richtung auf ihr Zentrum wirkt. Auf diese Weise ziehen sie nicht nur ihre eigenen Teile an und hindern sie daran davonzufliegen, wie wir es auf der Erde sehen können, sondern sie ziehen auch andere Himmelskörper an, die sich in ihrem Wirkungskreis befinden.« Daher hätten nicht nur Sonne und Mond einen Einfluss auf die Erde und ihre Bahn, sondern auch Merkur, Venus, Mars und die anderen Planeten.
    Seine zweite Annahme: dass alle Körper, einmal in Bewegung gesetzt, sich so lange geradlinig weiterbewegen, bis sie durch eine neue Kraftwirkung auf eine Kreis-oder Ellipsenbahn oder eine andere Flugkurve abgelenkt werden.
    »Die dritte Annahme lautet, dass die anziehenden Kräfte umso stärker sind, je näher der Körper, auf den sie wirken, den Zentren der Kraft ist.« 53
    Es ist nicht Isaac Newton, der diese Erkenntnisse darlegt, sondern Robert Hooke. Wissenschaftshistoriker hatten den streitbaren Chefexperimentator der Royal Society zeitweise fast vergessen. Im Lauf des zurückliegenden Jahrhunderts sind jedoch zahlreiche Dokumente aufgetaucht, die sein Leben und Werk in anderem Licht erscheinen lassen.
    Als Ideengeber Newtons wird Hooke selten gebührend gewürdigt. Er fügt sich schlecht in jene Reihe bedeutender Naturforscher, die von Galilei und Kepler über Descartes und Huygens bis hin zu Newton und Leibniz reicht. Das Buch der Natur sei in der Sprache der Mathematik geschrieben, so Galileis berühmter Leitspruch für die Epoche. In dieser Sprache verfasste Galilei seine Discorsi und Kepler seine Neue Astronomie. Aber es ist nicht die Sprache Hookes.
    Hooke hat seine Karriere als Gehilfe Robert Boyles begonnen und sich als Experimentator der Royal Society durch sein technisches Können und seinen Erfindungsgeist einen Namen gemacht. Im Vergleich mit allen oben genannten Naturforschern sind seine mathematischen Kenntnisse bescheiden. Hooke ist ein anderer, nicht weniger moderner Forschertyp: der vielleicht erste professionelle Experimentator der Epoche. 54
Beschleunigung ist alles
    Auch in dieser Hinsicht ist Galilei ein Vorbild. Hooke schaut gebannt auf dessen Experimente zurück. Zusammen mit Robert Boyle bestätigt er zum Beispiel Galileis Hypothese, dass alle Körper, ob Vogelfeder oder Bleikugel, im luftleeren Raum gleich schnell fallen. Im Vakuumbehälter nimmt ihre Geschwindigkeit während des freien Falls stetig zu, und sie bewegen sich mit derselben konstanten Beschleunigung zu Boden.
    Der Unterschied zwischen einer beschleunigten und einer unbeschleunigten Bewegung wird grundlegend für die neue Physik. Man spürt ihn am eigenen Leib, wenn eine Kutsche plötzlich anfährt oder unsanft abbremst. Wo Körper beschleunigt werden, wirkt eine Kraft, lässt sich aus Newtons berühmten Gesetzen folgern, von denen noch die Rede sein wird.
    Galileis Physik handelte zu Beginn des 17.Jahrhunderts noch nicht von Kräften, sondern von »natürlichen Bewegungen« und einem »natürlichen Streben« der Körper. Den Unterschied zwischen beschleunigten und unbeschleunigten Bewegungen stellte allerdings auch der Florentiner deutlich heraus. Berühmt ist sein Beispiel einer Schiffsgesellschaft, die sich unter Deck in einem Raum einschließt:
    »Verschafft Euch dort Mücken, Schmetterlinge und ähnliches fliegendes Getier; sorgt auch für ein Gefäß mit Wasser und kleinen Fischen darin; hängt ferner oben einen kleinen Eimer auf, welcher tropfenweise Wasser in ein zweites enghalsiges, darunter gestelltes Gefäß träufeln lässt. Beobachtet nun

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