Leiche in Sicht
Maureen. «Sie sagten, daß sich über Roges psychischen Zustand
keine sicheren Aussagen machen ließen, aber daß alle Anzeichen auf Selbstmord
deuteten. Es stand auch schon in den Zeitungen.» Sie sprach so leise, daß er
sie kaum verstand.
«Das tut mir wirklich sehr leid.»
«Dann sagten sie noch, daß man auf dem
Boden des Wagens Geld gefunden habe. Der Coroner hat mir etwas aus einem
Bericht vorgelesen. Dort war die Rede von ‹mikroskopischen Teilchen›.»
«War das der Bericht des
Gerichtsmediziners?»
«Das weiß ich nicht. Vielleicht. Der
Coroner sagte, er würde es als Beweis zu den Akten nehmen.»
«Maureen, können wir uns nicht irgendwo
treffen? Wenn Sie sich kräftig genug fühlen dazu, würde ich Sie gern zum Essen
einladen.» Plötzlich kam ihm eine Idee. «Und dürfte ich vielleicht eine
Freundin mitbringen? Ihr Name ist Mrs. Bignell. Sie ist Witwe und könnte sich
gut in Ihre Lage hineinversetzen.» Er würde Mavis vorher Instruktionen geben
müssen, dachte er. Die Erinnerung an ihren Ehemann Herbert hatte sich im Laufe
der Jahre zunehmend zu seinen Ungunsten verändert. Inzwischen war von seinen
Vorzügen überhaupt nicht mehr die Rede, sondern nur noch von der Art und Weise,
wie er Mavis hintergangen hatte. Er mußte ihr klarmachen, daß zwischen Maureen
und Roge ein anderes, innigeres Verhältnis bestanden hatte.
Sie trafen sich in einem Berni. Mavis hatte es vorgeschlagen. Sie wisse, daß Mrs. Harper jetzt Aufmunterung
brauche, und alle Berni-Restaurants seien sehr behaglich, auch wenn die
Holzbalken nur Imitation seien. Außerdem hätten sie diesen Monat ein besonders
günstiges Angebot — Steak und Erdbeerdessert für ganze vier Pfund
neunundneunzig. Das sei schließlich nicht zu verachten. Mr. Pringle behielt
seine Befürchtungen für sich, zumal er sah, daß Maureen nach dem zweiten Glas
Sherry tatsächlich auflebte.
Sie hatte sich Mühe gegeben, hübsch
auszusehen. Ihr Haar war frisch gewaschen und lockte sich um ihr schmales
Gesicht. Die Frisur stand ihr, auch wenn sie sehr verletzlich damit aussah. Sie
trug eines der hübschen Kleider, das Mr. Pringle schon in Griechenland an ihr
gesehen hatte. Mrs. Bignell gelang es mit der ihr angeborenen Herzlichkeit
schnell, Maureen aufzutauen. Mr. Pringle lehnte sich zurück und ließ die beiden
reden. Maureen konnte ein Gespräch von Frau zu Frau jetzt sicher gut
gebrauchen. Bei einer Rechnung von vierzehn siebenundneunzig war auch noch eine
Flasche Rotwein drin. Er bestellte Beaujolais. Als sie beim Dessert angelangt
waren und Mrs. Bignell wie üblich ihren Kaffee mit Cognac vor sich stehen
hatte, hatten die beiden Damen ihre Vorbehalte vergessen.
«Ich habe mich so vor der Verhandlung
gefürchtet», gestand Maureen plötzlich zutraulich, «aber sie waren sehr
rücksichtsvoll. Der Coroner hat mir sein Beileid ausgesprochen. Es war ein ganz
junger Mann. Wenn er nicht so ein merkwürdiges Urteil gefällt hätte, hätte ich
ihn richtig sympathisch finden können. Glauben Sie, daß sich noch einmal alles
aufklären wird, Mr. Pringle? Und wenn — wird es dann eine zweite Verhandlung
geben?» Er hielt das eher für unwahrscheinlich, aber er mochte ihre Hoffnung
nicht zerstören.
«Können Sie sich erinnern, ob sonst
noch etwas über dieses Geld gesagt wurde?» fragte er sanft.
«Nur, daß sich bei einem Test
herausgestellt hätte, daß im Fahrerhäuschen zwei Geldscheine auf dem Boden
gelegen hätten — oder besser gesagt, die Reste davon, mikroskopische
Ascheteilchen. Sie stellten mir eine Menge Fragen, wie das mit dem Geld im
Laden gehandhabt worden wäre. Ich habe ihnen gesagt, daß Roge die
Tageseinnahmen immer gleich abends einzahlen mußte. Mr. Miller war in diesem
Punkt sehr strikt. Über Nacht waren nie mehr als fünf oder sechs Pfund
Wechselgeld in der Kasse. Dann sagten sie noch, daß es zwei neue Scheine
gewesen seien, Fünf-Pfund-Noten.»
«Hatte Roge vielleicht etwas von der
Bank abgehoben?»
«Nein.»
«Oder hatte er beim Pferderennen
gewonnen?» Maureen blickte ihn entsetzt an.
«Roge hat nicht gewettet. Er fand
Wetten unmoralisch.»
Um sie herum wurde es lauter. Fenster
und Türen standen offen, um die warme Sommerluft hereinzulassen. Die Gäste
waren fröhlich, Mr. Pringle sah gelöste Gesichter, hörte ausgelassenes
Gelächter. Das Licht, das durch das gelbe Glas der kitschigen Kutscherlampen
fiel, tauchte alles in einen warmen gelben Schein, der Kerzenlicht vorspiegeln
sollte. Wir drei und unser Gespräch über den
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